Seit 30 Jahren bei uns: Werkstattleiter Armin Kohlrausch erzählt
Armin Kohlrausch ist Werkstattleiter im Kunstmuseum Wolfsburg – seit seiner Gründung vor 30 Jahren. Im Jubiläumsjahr des Museums blickt der gelernte Sägewerker zurück und erzählt, wie er selbst zum Kunstliebhaber wurde.
Sie sind Handwerker und arbeiten nun seit 30 Jahren am Kunstmuseum Wolfsburg. Das ist eine lange Zeit, um bei einem Arbeitgeber zu bleiben.
Ich hatte nicht geplant, 30 Jahre zu bleiben, aber mittlerweile ist das mein Baby geworden. Das habe ich schnell gemerkt, dass mir das Museum sehr zusagt. Ich habe viel Kraft und Zeit investiert– mit viel Freude. Und deshalb bin ich heute noch da.
Wie sah Ihr Werdegang aus, wo haben Sie vorher gearbeitet?
Ich habe eine Ausbildung gemacht zum Sägewerker und war schon für die Meisterschule angemeldet. Aber das Unternehmen wurde verkauft. Es folgten einige Gelegenheitsjobs. Eigentlich wollte ich noch Physik und Mathematik studieren, aber dann kam meine kleine Tochter. Ich habe dann für sieben Jahre in einem Unternehmen für Kommunikationsdesign beim Volkswagenwerk gearbeitet, das war fast wie eine zweite Ausbildung. Dort bin ich viel um die Welt gereist. Als meine Familie mit meiner häufigen Abwesenheit nicht mehr zufrieden war, las ich beim Frühstück die Zeitungsanzeige, dass das Kunstmuseum einen Werkstattleiter sucht. Das hat gleich geklappt. Und die Arbeit hat mir sehr gut gefallen, weil sie sehr abwechslungsreich und anspruchsvoll ist.
Und was sind Ihre Aufgaben als Handwerker im Kunstmuseum?
Meine Aufgabe mit meinem Team ist es, den Künstlern eine Bühne zu bieten.
Das heißt?
Das heißt, in Zusammenarbeit mit den Architekten und Kuratoren wird ein Entwurf gemacht und wir diskutieren, wie dieser umgesetzt werden kann und machen das dann: Wir bauen die Ausstellungsarchitektur, also die Wände und Räume, auf und übernehmen die gewünschte Farbgestaltung. Und dann helfen wir bei den Installationen der Kunstwerke.
Wie würden Sie die Beziehung zwischen Ihrer Handwerksarbeit und der künstlerischen Vision beschreiben?
Das ist von Künstlerin oder Künstler abhängig. Einige sind zugänglich, sie greifen gerne Ideen auf. Andere haben klare Vorstellungen, da hat man wenig Gestaltungsspielraum. Ein gutes Beispiel für viel Spielraum war XTOONE mit Georg Herold (1995). Das ist eine Formel aus der Mathematik, weil Herold ja studierter Mathematiker ist.
Welche Projekte sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Eine Lieblingsausstellung von mir war Japan und der Westen (2007/2008). Es war sehr faszinierend, mit dieser Kultur in Kontakt zu geraten. Ich hatte das große Vergnügen, ein Teehaus zu bauen gemeinsam mit einem japanischen Meister. Das hat mich total umgehauen. Er hat gezeigt, dass Handwerk auch Kunst ist und man das Handwerk auch ehren muss.
Wie hat sich Ihr Handwerkszeug über die Jahre entwickelt?
Wie alles hat es sich weiterentwickelt, besonders in den letzten zehn Jahren in die digitale Richtung. Wir haben so gut wie kein Papier mehr. Für Skizzen nutzen wir es noch, aber Planung und so weiter, das läuft alles am Rechner und übers Netz. Ich drucke so gut wie nichts mehr aus. Früher habe ich Dokumentenrollen hin- und hergeschickt. Das ist noch gar nicht so lange her.
Gibt es bestimmte Materialien, die im Laufe der Zeit veraltet sind, aber die Sie immer noch schätzen?
Ich liebe massives Holz. Vor allem den Geruch. Jedes Holz hat seinen eigenen Geruch, das finde ich faszinierend. Aber aus Massivholz kannst du keine großen Wände bauen, das verzieht sich sofort. Was ich auch gut finde: Dass wir im Farbbereich mit lösemittelfreien Produkten arbeiten.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Instandhaltung des Gebäudes?
2019 haben wir eine Sanierung durchgeführt, der ganze Fußboden wurde neu gemacht und alle Bestandswände wurden neu verkleidet mit Gipskartonplatten. Der Aufzug wurde gebaut für das Restaurant. Als nächstes müssen wir sehen, dass wir irgendwann die komplette Verglasung erneuern, die entspricht bei Weitem nicht dem heutigen Stand. Das kann man in Etappen machen, es ist aber auch ein riesiger Kostenfaktor. Diese Dinge stehen an, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit. Derzeit stellen wir ja die Beleuchtung in der Halle auf nachhaltige LED-Leuchten um – auch ein Wahnsinnsprojekt.
Gehen Sie denn auch in andere Museen?
Ich mache sehr gerne Städtereisen mit zwei Freunden, und grundsätzlich stehen Museumsbesuche auf dem Programm, in Dresden haben wir z.B. eine wunderbare Gerhard-Richter-Ausstellung gesehen. Ich interessiere mich seit etlichen Jahren für Kunst, das ist eine richtige Liebhaberei geworden.
Hat sich Ihr Verständnis von Kunst und Kultur durch Ihre Arbeit am Museum verändert?
Absolut. Ich hatte vorher keine Ahnung von Kunst. Ich kannte gewisse Künstler, klar, jemanden wie Mondrian oder Andy Warhol. Ich hatte sonst aber keinen Zugang zu Kunst. Das habe ich alles im Museum gelernt. Es hat sich so weit entwickelt, dass ich seit 25 selbst sammele.
Und welches war das erste Werk?
Da muss ich überlegen! Das muss eine Lithographie-Reihe gewesen sein. Ja, von Marc Chagall.
Und das letzte?
Das war Imi Knoebel.
Und die hängen alle in Ihrer Wohnung?
Ich habe wenig Platz in meiner Wohnung, aber ich plane, vor meinem Ruhestand noch etwas Adäquates zu kaufen nach der Prämisse: Wie viel Hängefläche habe ich? Derzeit besitze ich ca. 30 Werke, die sind eingelagert.
Welche besonderen Begegnungen verbinden Sie persönlich mit der Geschichte des Museums?
Besonders imposant war der Aufbau der Ausstellung mit Jeppe Hein.
Warum?
Jeppe ist ein sehr zugänglicher Typ. Und rief auch mal: „Los, kommt Tischtennisspielen! Es gibt Bier und Kuchen!“
Und was waren die herausforderndsten Aufgaben, die Sie bearbeiten mussten?
Das könnte Olafur Eliasson gewesen sein. Da haben wir die ganze Halle mit einer Spiegelfläche abgedeckt. 1600 Quadratmetern Spiegelfläche oberhalb der Wände. Das war sehr kompliziert, ich weiß nicht, wie viele tausend Teile wir montieren mussten in einer sehr kurzen Zeit. Da hatten wir Zweifel, ob wir fertig werden. Aber es ist – wie immer – fertig geworden.
Was bedeutet es für Sie, Teil des 30-jährigen Jubiläums des Museums zu sein?
Ich habe das Haus mehr oder weniger adoptiert, da freue ich mich sehr auf das Jubiläumswochenende. Ich kann mich sehr gut an die Eröffnung vor 30 Jahren erinnern. Das war für mich damals eine äußerst neue Situation: Der Ministerpräsident Gerhard Schröder und der französische Kulturminister Jack Lang waren da. Es war ein tolles Fest.
Und worauf freuen Sie sich beim Jubiläum?
Ich hoffe, alte Freunde wiederzutreffen, lecker zu essen und zu trinken und gute Musik auf dem Hollerplatz zu hören. Die Sammlungsausstellung Welten in Bewegung ist auch ein Highlight, aber ich kenne ja alles. Die einzige Überraschung für mich wird Jonathan Meese werden, die Arbeit habe ich noch nicht gesehen. Ich kenne Fotos, aber es ist was anderes, wenn man es in den Händen hat.