Chantal Akerman's D'Est
Bordering on Fiction
Infos
Wenn wir an Film denken wird unsere Vorstellung unwillkürlich von der alltäglichen Praxis der immer aufwendigeren und spektakulären Hollywood-Produktionen überlagert; wenn wir im Minutenstakkato das allabendliche Fernsehprogramm nach Wunschbildern durchforsten, begleitet uns eine unerfüllbare Sehnsucht. Dabei kann doch gerade das Medium Film den Betrachter in die großen Dramen, Freuden, Emotionen und Stimmungen entführen, weil Gefühle berührt und Lebenssituationen beschrieben werden, die über jede Sprach- oder Kulturbarriere universell und erhaben sind.
So werden wir im Kino oder vor dem Monitor, obwohl nur stille Beobachter, im übertragenen Sinn auch immer Mithandelnde und Mitfühlende. Noch so entfernte Geschichten und Bilder vermitteln über die Schnittstelle der eigenen, assoziierbaren Erinnerungen unmittelbare Betroffenheit. Anders als Malerei oder Fotografie, die immer nur Momentaufnahmen sein können, zeigt uns der Film immer auch noch den Augenblick danach, das nächste Bild. Bewegung, Mimik, Gesten und die Erfahrung eines Zeitablaufes lösen die Distanz des Außenstehens auf.
Wenn wir an Film denken wird unsere Vorstellung unwillkürlich von der alltäglichen Praxis der immer aufwendigeren und spektakulären Hollywood-Produktionen überlagert; wenn wir im Minutenstakkato das allabendliche Fernsehprogramm nach Wunschbildern durchforsten, begleitet uns eine unerfüllbare Sehnsucht. Dabei kann doch gerade das Medium Film den Betrachter in die großen Dramen, Freuden, Emotionen und Stimmungen entführen, weil Gefühle berührt und Lebenssituationen beschrieben werden, die über jede Sprach- oder Kulturbarriere universell und erhaben sind.
So werden wir im Kino oder vor dem Monitor, obwohl nur stille Beobachter, im übertragenen Sinn auch immer Mithandelnde und Mitfühlende. Noch so entfernte Geschichten und Bilder vermitteln über die Schnittstelle der eigenen, assoziierbaren Erinnerungen unmittelbare Betroffenheit. Anders als Malerei oder Fotografie, die immer nur Momentaufnahmen sein können, zeigt uns der Film immer auch noch den Augenblick danach, das nächste Bild. Bewegung, Mimik, Gesten und die Erfahrung eines Zeitablaufes lösen die Distanz des Außenstehens auf.
Die Filme der 46-jährigen, belgischen Regisseurin Chantal Akerman operieren mit genau diesen klassischen Stilmitteln. In maßvollem Tempo und ruhigem Blick setzt sie das alltägliche Leben in Bewegung und erobert so die Faszination des großen Films zurück. Bei der nach San Francisco, Minneapolis, Paris, Brüssel und Valencia nun in Wolfsburg gezeigten Filminstallation „Bordering on Fiction. Chantal Akerman’s D’Est“ verzichtet sie auf einen offensichtlichen Plot, einen zusammenhängenden Handlungsablauf, um die Geschichte über den Fall der Berliner Mauer, den Zusammenbruch der Blöcke und die Auflösung der Sowjetunion in sinnlich lyrische Bilder zu übersetzen. „Ich möchte eine große Reise durch Osteuropa machen, solange noch Zeit ist. Nach Russland, Polen, Ungarn, in die Tschechoslowakei, in die ehemalige DDR und zurück nach Belgien. Ich möchte dort in meinem Dokumentarstil, der an Fiktionen grenzt, alles filmen. Alles was mich berührt. Gesichter, Straßenenden, Autos, die vorüberfahren, Bahnhöfe und Ebenen, Flüsse und Meere, Ströme und Bäche, Bäume und Wälder. Felder und Fabriken, und wieder Gesichter, Nahrungsmittel, Innenräume, Türen, Fenster, Essensvorbereitungen. Männer und Frauen, Junge und Alte, die vorübergehen oder stehenbleiben, sitzend oder stehend, manchmal sogar liegend. Tage und Nächte, der Regen und der Wind, der Schnee und der Frühling.“
1992 reiste Chantal Akerman mit einer kleinen Crew durch die ehemalige DDR nach Polen und später nach Russland. Der aus diesem Material entstandene und 1993 abgeschlossene, quasi-dokumentarische Film D’Est (Vom Osten) wurde auf den bedeutendsten Filmfestivals und im Fernsehen gezeigt und bildet den zentralen Bestandteil der dreigliedrigen Installation im Kunstmuseum Wolfsburg. In der zweiten Raumsequenz sind aus Videomonitoren acht Triptychen, aufgebaut, auf denen parallel eine Collage dieses Films aus Szenen, ausgesuchten Kamerafahrten, Sprachen, Landschaften, Musik und Porträts, zu einem visuell-akustischem Environment verschmelzen. In einem dritten Raum befindet sich nur ein einziger Monitor, der uns Chantal Akerman zeigt, die Passagen der Bibel und ihre eigenen Text über den Film rezitiert.
Chantal Akerman steigert durch diese Installation vom reinen Film, über die vibrierende und irisierende Collage, hin zur Konzentration und Andacht ihrer Stimme, die Intensität der Empfindungen zu einem Thema, das Europa und die Welt nachhaltig verändert hat. Jüngste Geschichte wird so zu einer überraschend kraftvollen und zutiefst humanen Sinnlichkeit, die den Betrachter mit der Präsenz seiner eigenen Erinnerungen umfängt. Und genau das ist FILM.
Katalog:
Bordering on Fiction. Chantal Akerman’s D’Est
Texte von Catherine David, Kathy Halbreich, Bruce Jenkins, Michael Tarantino und Gijs van Tuyl
13,5 x 21 cm, 92 S., 77 s/w Abb.
Wolfsburg 1996
vergriffen