Bruce Nauman

Image/Text. 1966-1996

24. 5. — 28. 9. 1997

Infos

Das Konzept der Ausstel­lung folgt zwei Leitli­nien im Werk von Bruce Nauman: zum einen dem unter­schied­li­chen Einsatz von Bild- und Textsprache sowie den Elementen einer Musika­lität, die sich sowohl klanglich als auch visuell darstellt; zum anderen dem Entwick­lungs­pro­zess, dem die Rolle des Betrach­ters unter­worfen ist. Organi­siert wird die Ausstel­lung von Christine Van Assche, Kuratorin am Centre Georges Pompidou, Paris. Ihre Premiere hat die Ausstel­lung im Kunst­mu­seum Wolfsburg. Das Centre Georges Pompidou präsen­tiert sie vom 9. Dezember 1997 bis 9. März 1998. Anschlie­ßend wird die Ausstel­lung in der Londoner Hayward Gallery und im Museum of Contem­porary Art in Helsinki zu sehen sein.

Bruce Nauman hat ein umfang­rei­ches Werk geschaffen, das sich allen Katego­ri­sie­rungen oder Einord­nungen in Stilgruppen entzieht. Seine Arbeiten zeugen von einer reichen Vielfalt der Verfahren, Konzepte, Materia­lien und Gattungen. Nur wenige künst­le­ri­sche Strate­gien der Gegenwart weisen eine solche Vielschich­tig­keit und inter­dis­zi­pli­näre Verflech­tung auf und nur wenige entwi­ckeln ein so univer­sales und eindring­li­ches Denken.

1941 in Fort Wayne, Indiana (USA) geboren, studierte Bruce Nauman Mathe­matik, Physik, Kunst, Musik und Philo­so­phie. Er lehrte am San Francisco Art Institute und an der Univer­sität von Kalifor­nien und lebt heute in Galisteo, New Mexico. Noch während seines Studiums gab er die Malerei auf und beschäf­tigte sich mit Bildhauerei, Perfor­mance, Perfor­mance-Verfil­mung, Film- und Video­ar­beiten ferner mit Neonskulp­turen, Instal­la­tionen und Environ­ments. Zurzeit reali­siert er haupt­säch­lich Video­in­stal­la­tionen, darüber hinaus entstehen weiterhin Zeich­nungen, Fotos und Fotocol­lagen. Seine Arbeiten wurden regel­mäßig ausge­stellt; in Amerika sowie in Deutsch­land, in den Nieder­landen und in der Schweiz. Das Walker Art Center Minnea­polis organi­sierte vor wenigen Jahren eine große, von einem Werkver­zeichnis beglei­tete Retro­spek­tive, die den Werdegang Naumans und die Entwick­lung seiner künst­le­ri­schen Strategie darlegte. Die Ausstel­lung wanderte 1994 und 1995 von Madrid über New York und Los Angeles bis Zürich.

Es gibt gute Gründe, erneut einen größeren Werkkom­plex von Bruce Nauman zur Diskus­sion zu stellen. Das Projekt „Bruce Nauman. Image/Text 1966–1996“ befasst sich eingehend mit Naumans Interesse an der schrift­li­chen und mündli­chen, musika­li­schen und bildli­chen Sprache: Nicht nur die metakon­zep­tu­elle, spiele­ri­sche Metaphern­sprache Marcel Duchamps spielt hier eine Rolle, sondern auch die eindring­liche Minimal­sprache Samuel Becketts hat ihn angeregt, die rever­sible metony­mi­sche Bilder­sprache Jasper Johns, die fragmen­ta­ri­sche Experi­men­tal­sprache Alain Robbe-Grillets, die philo­so­phisch-mathe­ma­ti­sche Sprache Ludwig Wittgensteins.

Die zweite Orien­tie­rung bildet gewis­ser­maßen die Kraft­linie, aus der die Ausstel­lung ihre Struktur gewinnt: die Entwick­lung eines Bewusst­seins für die Rolle des Betrach­ters auf mehreren Ebenen:

1. Der Bezug auf Raum und Zeit verläuft zunächst über Bruce Nauman als Autor und Akteur, der Experi­mente mit seinem Körper als Medium unter­nimmt. Nach und nach tritt der Künstler jedoch zurück und überträgt seine Rolle einem anderen Darsteller, wie dem Mimen, dem Clown. Dies entspricht dem Übergang von einer bewussten Subjek­ti­vität zur Alterität, zum ‚Anderen‘.

2. Das rhyth­mi­sche Aufein­an­der­be­ziehen gegen­sätz­li­cher Kräfte, mit denen der Betrachter konfron­tiert wird.

3. Eine Wendung der künst­le­ri­schen Parameter ins Spekta­kulär-Theatra­li­sche, die den Zuschauer in ein befrem­dendes Netz politi­scher, gesell­schaft­li­cher und anthro­po­lo­gi­scher Energien einspannt. Es geht nicht mehr um ein allmäh­li­ches Einver­ständnis mit dem Autor, mit dem Werk, sondern um eine radikale Einbin­dung in die „Gesell­schaft des Spekta­kels“ (Guy Debord).

Bruce Naumans Arbeit geht fraglos bei Weitem über Beschäf­ti­gungen hinaus, die mit der Eigenart des einen oder anderen Mediums zusam­men­hängen. Er verwendet sämtliche verfüg­baren Materia­lien, buchsta­biert sie bis zur Ausschöp­fung durch und verändert sie je nach Kontext. Aller­dings inter­es­siert er sich dabei weniger für das Objekt, für den Stoff, als vielmehr für die experi­men­tell zu erkun­dende Struktur, wie etwa in der großen Neonar­beit „One Hundred Live and Die“ von 1984, in der nach einem Zufalls­prinzip einhun­dert verschie­dene Befehle aufleuchten: „Love and Die“, „Love and Live“, „Hate and Die“, „Hate and Live“, usw.

Die Ausstel­lung besteht aus 52 Arbeiten: zwölf audio­vi­su­ellen Instal­la­tionen, einer Klang­in­stal­la­tion, zwei Skulp­turen, fünf Neonar­beiten, zehn Zeich­nungen, neun Drucken, drei Fotogra­fien, vier Filmen und sechs Videos.

Katalog
Bruce Nauman. Image/Text 1966–1996
Texte von François Albera, Michele de Angelus, Christine van Assche, Chris Dercon, Vincent Labaume, Jean-Charles Masséra, Tony Oursler, Willoughby Sharp, Joan Simon, Marcia Tucker und Gijs van Tuyl
23,5 x 30 cm, 172 S., 105 s/w und 42 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfil­dern 1997
ISBN 3–89322-922–1
vergriffen