Tuning Up #5
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Mit Tuning Up #5 präsentiert das Kunstmuseum Wolfsburg eine Auswahl von 44 Arbeiten seiner ca. 200 Werke umfassenden Sammlung zeitgenössischer Kunst. In fünfter Folge werden die Arbeiten der sich im Aufbau befindenden Sammlung zusammen mit einzelnen Leihgaben aufeinander abgestimmt. Leitendes Prinzip der Sammlung bleibt nach wie vor, sich auf wenige künstlerische Positionen zu beschränken und diese mit Querschnitten durch das Œuvre, Serien oder Werkgruppen zu vertiefen.
Im Foyer des Museums wird der Besucher von Nam June Paiks „Andy Warhol Robot“ (1994) empfangen, eine Hommage an denjenigen Künstler, der nicht zuletzt mit seinen Filmen auf viele seiner Kollegen prägend gewirkt hat. Unter der Empore der Ausstellungshalle erwartet den Besucher Douglas Gordons „24 Hour Psycho“ (1993), der 1996 für seine Arbeit mit dem Turner Prize der Tate Gallery ausgezeichnet wurde. Dem auf einen Tag Spieldauer, d. h. 2 Bilder pro Sekunde verlangsamten Film Hitchcocks schließt sich Gary Hills „Searchlight“ (1986–1994) an, eine Videoinstallation, die den Betrachter auf ähnlich subtile Weise über Prozesse des Sehens und Wahrnehmungsgewohnheiten reflektieren lässt.
Panamarenkos „Flugzeug“ (1967) ist erstmals auf dem Boden der Halle ‚gelandet‘, flankiert von Paul Grahams 10-teiliger Fotoserie „Ceasefire“, April 1995, die den Himmel über 10 Orten des vom Bürgerkrieg gezeichneten Nordirland während eines Waffenstillstands zeigt. Diese Leihgabe eröffnet die Möglichkeit, einen weiteren Aspekt des Werkes von Paul Graham im Kunstmuseum Wolfsburg kennenzulernen.
Hinter Panamarenkos Flugzeug stößt man auf Carl Andres „Uncarved Blocks“ (1975), eine Gruppe von 15 Kombinationen liegender Holzblöcke. Ganz im Gegensatz zu seiner benachbarten Stahlplatten-Arbeit „45 Roaring Forties“, Madrid 1988 (Leihgabe) und den meisten anderen seiner Arbeiten ist „Uncarved Blocks“ strikt nach Norden ausgerichtet. Sie wird hier in einer neuen Variante präsentiert. Die Skulpturen von Carl Andre werden umgeben von drei Arbeiten des Niederländers Jan Dibbets und einer Auswahl von dessen Archiv (1967–1996). Im Zentrum der Halle schlängelt sich eine Lokomotive auf einer Eisenspirale vom Boden bis unter das Hallendach, eine unbetitelte Arbeit von Jannis Kounellis, die er erstmals 1977 in der Galerie Tucci Russo realisierte.
Ein Gang durch die Ostkabinette führt zunächst in das „Bilderzimmer“ (1995) von Georg Herold, einem Querschnitt seines Œuvres, vertreten u. a. durch Kaviarbilder und zwei Vitrinen. Im nächsten Raum schließen sich Bruce Naumans „10 Heads Circle/In and Out“ (1990) und „Frankfurt Portfolio“ (1990) an. Im Gegensatz zu „10 Heads Circle/In and Out“, in der das Aneinander und Gegenüber der Köpfe ein Bild der Kommunikationslosigkeit bietet, steht „High Moon“ (1991) von Rebecca Horn ganz im Zeichen einer poetischen Bipolarität. Ganz und gar organisch hingegen bietet sich Tony Craggs mehrteilige biomorphe Gipsskulptur „Forminifera“ (1991) dar.
Andy Warhols großformatiges Gemälde „Double Be a Somebody with a Body“ korrespondiert mit den frischen „Garden Paintings“ #1 und #3 (beide 1996) von Gary Hume, der mit seinen bunt spiegelnden Lackoberflächen an die Pop Art anknüpft, um sie jedoch als „schöner Terrorist“ (Gary Hume) auf überraschende Weise zu unterlaufen. Die Gemälde Humes bilden einen starken Kontrast zu Jörg Immendorffs „Kleine Reise (Hasensülze)“, die die künstlerische Situation nach der Wiedervereinigung Deutschlands kommentiert. Sekundenprotokolle der eigenen Familie und ihrer Lebensumstände zeigen 6 unbetitelte Fotografien (1994–1996) des jungen Engländers Richard Billingham. Ganz im Gegensatz zu Billinghams Fotografien sind „Untangling“ (1994) und die auf der documenta X präsentierte Schwarzweißarbeit „Passerby“ (1996) von Jeff Wall sorgfältig arrangiert. Während Jeff Wall in „Untangling“ Leuchtmittel einsetzt, um dem Bild durch die rückseitige Beleuchtung zu einer stärkeren Präsenz zu verhelfen, hat Georg Herold für seine Ausstellung im Kunstmuseum 1995 ein „Lichthaus“ mit dem vollständigen Titel „House within His Darkness (Cyber-Merz) Holz, Stahlrohr, Leuchtmittel, Elektroinstallationen, Apfelsine“ gebaut, das inzwischen erworben werden konnte und nun seitdem erstmals wieder gezeigt wird.
Als ‚Häuser‘ im weitesten Sinne sind auch die beiden Arbeiten „Igloo Fibonacci“ (1970) und „Objet cache-toi“ (1968) von Mario Merz anzusprechen, die inzwischen zum Bestandteil eines größeren Ensembles von Mario-Merz-Arbeiten geworden sind, zu denen „Leone di Montagna“ (1981) sowie auch der mit Obst und Gemüse gedeckte Tisch (Tavola) gehört. Durch die Kombination des Tisches mit der Leihgabe „6765“ wird „Tavola a spirale per festino di giornali datati il giorno del festino“ (Spiraltisch zum Fest der Zeitungen mit dem Datum des Festtages) von 1976 wieder in der Form der Erstinstallation gezeigt. Den ‚Schlussstein‘ des Rundgangs im 2. Obergeschoß bilden zwei Werke Anselm Kiefers: „20 Jahre Einsamkeit“ und „The Secret Life of Plants“ (1996). Während man die erstere Arbeit als Resümee von Kiefers Schaffen der 70er- und 80er-Jahre betrachten kann und nicht zuletzt als Kommentar einer sehr privaten Seite seiner Biografie bewerten muss, verströmt „The Secret Life of Plants“ als eines seiner jüngsten Bilder den Geist einer universellen Kosmologie.
Zwei Arbeiten von Fischli/Weiss, die erstmals 1995 auf der Biennale in Venedig gezeigte Arbeit „Ohne Titel“ (1993–1995) sowie das „Kanal-Video“ (1992), sind in deren Ausstellung „Arbeiten im Dunkeln“ integriert, die mehrere Wochen lang parallel zu Tuning Up #5 im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen ist. Umgekehrt ist in Tuning Up #5 deren Fotoserie „Stiller Nachmittag“ (1984/85) integriert, wie auch an verschiedenen anderen Stellen des Hauses Arbeiten von Fischli/Weiss zu entdecken sind.
Katalog
Tuning Up #5
15 x 18 cm, ca. 40 S., 1 s/w und 17 farbige Abb.
Wolfsburg 1998
ISBN 3–9804827‑7–4