Mariko Mori
Esoteric Cosmos
Infos
„Mariko Mori. Esoteric Cosmos“ ist die erste umfassende Ausstellung der Künstlerin auf dem europäischen Kontinent und zeigt 11 Großfotografien und Videoinstallationen aus den Jahren 1995 bis 1998. Die in Zusammenarbeit mit der Serpentine Gallery in London entwickelte Ausstellung wurde in Wolfsburg von Gijs van Tuyl, dem Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, kuratiert. Er sagt zu den Werken Moris: „Die Kunst von Mariko Mori ist eine Synthese aus Bipolaritäten: Wirklichkeit und Fantasie, Ernst und Humor, Science und Fiction. Verlockung und Verführung sind Teil ihrer Doppelstrategie. Die Verführungen der Außenwelt werden eingesetzt, um den Betrachter in die Innenwelt zu locken.“
Die starke Präsenz von Alltags- und Jugendkultur in ihren Werken offenbart den Einfluss der Pop Art der 60er-Jahre auf die junge Künstlerin. Inhaltlich lässt sich daher ein Bezug zur vorangegangenen Ausstellung des Kunstmuseums „Andy Warhol. A Factory“ herstellen. Gleichzeitig erfolgt eine Anbindung an das sich anschließende Ausstellungsprojekt „Avantgarderobe. Kunst und Mode im 20. Jahrhundert“.
Mariko Mori, 1967 in Tokio geboren, studierte zunächst Modedesign in Japan und arbeitete in den späten 80er-Jahren als Fotomodell. Sie besuchte Kunsthochschulen in London und absolvierte das Independent Study Program des Whitney Museum of American Art in New York.
Seit 1993 war Mori in internationalen Ausstellungen vertreten. Im Jahr 1997 erregte vor allem ihre Arbeit „Nirvana“ Aufsehen, die sie im Rahmen der Ausstellung „Passato, Futuro, Presente“ der Biennale di Venezia vorstellte.
Die ersten Arbeiten, die große Beachtung fanden, waren Fotografien aus dem Jahr 1994, in welchen die Künstlerin als serviler Cyborg, halb Mensch, halb Maschine, auftrat oder sich als futuristisch anmutende Kriegerin inszenierte. Die von der Künstlerin personifizierten Gestalten scheinen Science-Fiction-Filmen und Comic-Heften entsprungen zu sein. In selbst entworfenen Kostümen posiert Mori zumeist unbeachtet von den Passanten in den überfüllten Straßen der Metropole Tokio. Mori thematisiert hier Stereotypen von Frauenrollen in der Gesellschaft und befasst sich mit den Möglichkeiten der Darstellung von Weiblichkeit im Technologiezeitalter.
Die fotografischen Arbeiten „Birth of a Star“ und „Empty Dream“, beide 1995 entstanden, wurden mit dem Computer nachbearbeitet und zeigen die Künstlerin als synthetische Kreatur in einer surrealen und artifiziellen Szenerie. Mori erscheint in „Birth of a Star“ als Plastikpuppe und Popidol mit wild aufgesträubten Haaren, übergroßen Kopfhörern mit eingebautem Radio, Mikrofon und glänzendem Disco-Outfit. Die Fotografie wird in einer 3‑D-Box präsentiert und von einem Lied begleitet, welches Mori selbst geschrieben hat. Der Titel der Arbeit spielt auf eine beliebte Talentshow des japanischen Fernsehens an.
Die Dimensionen von „Empty Dream“ erinnern an großformatige Historiengemälde des 19. Jahrhunderts, jedoch auch an Plakatflächen aus dem urbanen Kontext. Die Künstlerin begegnet uns hier gleich vier Mal als glitzernde Meerjungfrau in einer künstlichen angelegten Badewelt, dem Ocean Dome in der Präfektur Miyazaki in Japan. Das Himmelspanorama endet abrupt, die Dachkonstruktion wird sichtbar und so verweist der Titel „Empty Dream“ auch auf den artifiziellen Charakter der nachgebauten Natur.
Moris Installation „Esoteric Cosmos“ besteht aus vier großformatigen Fotografien: „Entropy of Love“ (1996), „Burning Desire“ (1996–98), „Mirror of Water“ (1996–98) und „Pure Land“ (1997), die die Naturelemente Luft, Feuer, Wasser und Erde symbolisieren. Die Fotografien wurden von Mori im Painted Desert in Arizona, in der Wüste Gobi in Asien, in einer Grotte in Frankreich und am Toten Meer aufgenommen. Die Künstlerin taucht in den dramatischen Schauplätzen jeweils als gottgleiche Gestalt oder extraterrestrisches Wesen auf. Hervorgehoben durch einen Regenbogennimbus oder abgeschirmt von der Außenwelt durch eine gigantische Luftblase schwebt sie durch die Szenerie.
Auch in dem 1997 von der Künstlerin ergänzend zu den vier Fotoarbeiten entwickelten 3‑D-Video „Nirvana“ erscheint die Künstlerin als schwebende Gottheit, die von sechs kleinen comicähnlichen Figuren begleitet wird. Moris Gesten, die sogenannten ‚Mudra‘, haben in der buddhistischen Kunst eine ganz spezifische Bedeutung und charakterisieren Götterfiguren und deren Aktivitäten.
Verschiedene Elemente im Video wie beispielsweise die kleinen Figuren, ein tränenförmiger Kristall und Blütenblätter scheinen aus dem Bild heraus zum Betrachter hinzuschweben. Der spirituelle Aspekt der Arbeit wird so um eine physische Erfahrung bereichert.
Eine weitere wichtige Installation der Ausstellung ist „Link of the Moon“ aus dem Jahr 1996. Die Arbeit besteht aus einem kreisförmigen Raum, in welchem auf fünf Monitoren das Video „Miko No Inori“ (The Shaman-Girl’s Prayer) zu sehen ist. Das Video, gefilmt im hypermodernen Kansai-Flughafen in Japan, zeigt Mori – eine Kristallkugel balancierend – in einem futuristischen Kostüm. Durch eine silberfarbene Perücke und spezielle Kontaktlinsen wird Mori zu einem außerirdischen Wesen. Über Lautsprecher ist ein von Mori gesungenes Lied in einem Endlos-Loop zu hören, was den meditativen Charakter der Installation noch verstärkt.
Die Ausstellung endet mit der Film- und Fotoarbeit „Kumano“, der jüngsten, 1998 entstandenen Arbeit der Künstlerin. Wie schon im „Esoteric Cosmos“ wird in dieser Arbeit Moris Hinwendung zu ‚natürlichen‘ Schauplätzen deutlich. Sie führt den Betrachter in einen Heiligen Hain, in dessen Hintergrund ein technoider Tempel zu sehen ist. Die Künstlerin selbst begegnet uns als schemenhafte Gottheit oder Priesterin in der Nähe eines Wasserfalls, dem im shintoistischen Glauben kultische Bedeutung zukommt.
In Mariko Moris Kunst vermischen sich Fernsehen, Comics, Magazine, neue Technologien, Musik, Kunst und Mode. Ihre Bilderwelt ist Ausdruck einer idealistischen Perspektive auf die Zukunft, in welcher durch die wechselseitige Beeinflussung der Kulturen in Ost und West ein neues Bewusstsein entstehen soll.
Katalog
Mariko Mori. Esoteric Cosmos
Texte von Dominic Molon und Gijs van Tuyl
30 x 24,5 cm, 83 S., 19 s/w und 22 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfildern 1998
ISBN 3–89322-966–3
vergriffen