Luc Tuymans
The Purge. Bilder 1991-1998
Infos
Die Ausstellung der Werke des belgischen Künstlers Luc Tuymans setzt die Reihe von Einzel- oder Gruppenausstellungen zum Thema ‚Malerei‘ im Kunstmuseum Wolfsburg fort, die im vergangenen Jahr mit Ausstellungen der Werke von René Daniëls und Elizabeth Peyton begonnen wurde. Gleichzeitig stellt sie eine Künstlerpersönlichkeit vor, die in der Sammlung des Museums bereits mit drei Gemälden vertreten ist.
Die Ausstellung vereint 50 Gemälde des Künstlers aus den Jahren 1991 bis 1998. Innerhalb des ausgewählten Konvoluts finden sich Werke aus den Serien „Der diagnostische Blick“, 1992, „The Heritage“, 1996, „Der Architekt“, 1997, „Illegitimate“, 1997, und „Security“, 1998. Des Weiteren wurden Einzelwerke miteinbezogen, in welchen Tuymans Interieurs und vegetabile Formen untersucht und sich mit religiöser Motivik auseinandersetzt.
Immer wieder hat Tuymans den für eine bestimmte Präsentation entstandenen Bildserien Titel verliehen und die Bilder so in einen spezifischen Ausstellungskontext gestellt. Jede Serie besteht dennoch aus autonomen Einzelwerken, die unabhängig voneinander gezeigt und zu anderen Bildern in Beziehung gesetzt werden können. Tuymans sagt zu diesem Präsentationskonzept: „Ich glaube, dass sich die Bilder zuerst verselbstständigen müssen, aber gleichzeitig soll der Rausch von einem Bild auf das andere übergreifen.“
Luc Tuymans nimmt die Erfahrung flüchtiger Bilder aus Fotografie, Film und Fernsehen in seine Malerei auf, um sie in der nachhaltigen Präsenz eines statischen, auf der Leinwand materialisierten Bildes zu brechen. Zu Beginn der 80er-Jahre experimentierte Tuymans verstärkt mit dem Medium Film und es schien, als wolle er sich gänzlich von der Malerei abwenden. Seine malerische Abstinenz währte zwei Jahre und auch nach Wiederaufnahme der Malerei 1985 war das filmische Material wiederholt Ausgangspunkt für Gemälde. Die Wolfsburger Ausstellung präsentiert einige Beispiele aus den Filmen des Künstlers in Form von Film-Stills.
Gijs van Tuyl sagt zur Malerei des Künstlers: „In einer Zeit, in der die Malerei im Schatten der Fotografie zu verschwinden droht, zeigt Tuymans, wie Bilder vor dem Hintergrund der flimmernden Medienlandschaft aus dem Nichts auftauchen, schweigend aufleuchten und sich wieder in die Stille zurückziehen.“
Unter dem Titel „Der diagnostische Blick“ präsentierte Luc Tuymans im Jahr 1992 eine Ausstellung in der Zeno X Galerie in Antwerpen. Sieben der insgesamt zehn Bilder der Serie sind Teil der Wolfsburger Ausstellung.
Die Gemälde sind auf der Grundlage von Fotografien eines medizinischen Handbuches gleichen Titels entstanden. Die im Lehrbuch abgebildeten Fotos kranker Physiognomien zeigen die körperlichen Symptome von Erkrankungen und sollen ursprünglich durch Vergleich dem Arzt die Diagnose erleichtern. Tuymans hat diese Abbildungen in porträthaft oder abstrakt wirkende Bilder umgesetzt. Gegenüber der dokumentarischen Fotografie, welche die Krankheit explizit kenntlich machen will, nimmt die malerische Umsetzung das Symptom zurück und relativiert es.
In den Serien „The Heritage“, 1996, und „Security“, 1996, befasst sich Tuymans mit den Mythen und Symbolen der amerikanischen Gesellschaft. Der Titel „The Heritage“ richtet sich gegen die amerikanische Ideologie der Geschichtslosigkeit und steht für den –vergeblichen – Versuch einer Archäologie der amerikanischen Gesellschaft. „Security“, 1998, hingegen verarbeitet den panischen Absicherungswahn und die Festungsmentalität der nur scheinbar multikulturellen Gesellschaft.
Zu der Serie „Der Architekt“ gab ein Telegramm Albert Speers an Himmler die Anregung, in welchem Speer berichtete, dass den Inhaftierten in den Arbeitslagern zu viel Platz zur Verfügung stände. Nach Verfassen des Berichtes machte Speer mit seiner Frau einen Skiausflug. Laut Tuymans gab ihm dies die Idee für eine Ausstellung über Architektur und Schnee. Über den historischen Aspekt hinaus nimmt Tuymans Bezug auf eine ganz aktuelle Megalomanie der Hauptstadt Berlin, nach der Wiedervereinigung aufs Neue Deutschlands wichtigste Stadt zu werden.
Die Serie „Illegitimate“ aus dem Jahr 1997 bezieht sich auf eine Äußerung der künstlerischen Leiterin der documenta X, Catherine David, die das Medium Malerei als ‚illegitim‘ diffamierte und damit selbstverständlich den Widerspruch Tuymans heraufbeschwor.
Die Ausstellung wurde vom Kunstmuseum Wolfsburg in Zusammenarbeit mit dem Bonnefantenmuseum in Maastricht organisiert und in enger Abstimmung mit dem Künstler konzipiert.
Katalog
The Purge. Luc Tuymans. Schilderijen/Bilder/Paintings 1991–1998 [Katalogzeitung]
Hrsg. von Paula van den Bosch und Annelie Lütgens. Texte von Cornel Bierens, Dominic van den Boogerd, Annelie Lütgens, Hans Rudolf Reust, R. van Ruyssevelt, Marc Ruyters, Frank Vande Veire (dt./engl./niederländisch)
31 x 47 cm, 40 S., 14 s/w und 38 farbige Abb.
Maastricht und Wolfsburg 1999
vergriffen