Brassaï

Das Auge von Paris

13. 12. 2003 — 4. 4. 2004

Infos

Immer wieder hat das Kunst­mu­seum Wolfsburg in monogra­fi­schen Ausstel­lungen das Werk einzelner Fotografen vorge­stellt und so ist die Ausstel­lung „Brassaï. Das Auge von Paris“ in der Reihe der ‚Fotoklas­siker‘ wie Man Ray und Pietro Donzelli, aber auch Ed van der Elsken und Richard Avedon zu sehen.

Brassaï, 1899 im damals ungari­schen Brasso geboren, emigrierte im Jahr 1920 zunächst nach Berlin, wo er die Kunst­aka­demie besuchte und Bekannt­schaft mit Künstlern wie Wassily Kandinsky, Oskar Kokoschka und László Moholy-Nagy schloss. Im Jahr 1924 siedelte er schließ­lich nach Paris über, wo er seine beruf­liche Laufbahn nicht als Fotograf, sondern als Journa­list begann und er vorwie­gend für deutsch­spra­chige Zeitschriften arbeitete. Die journa­lis­ti­sche Tätigkeit führte ihn schließ­lich zur Fotografie. Parallel dazu beschäf­tigte er sich jedoch ebenso mit Literatur und der Bildhauerei. In Paris legte sich der Künstler sein Pseudonym „Brassaï“ zu, welches er aus dem Namen seiner Heimat­stadt ableitete.

Die ersten Fotogra­fien Brassaïs entstanden genau zu dem Zeitpunkt, als der Surrea­lismus in Frank­reich Fuß fasste und das Interesse der Künstler- und Intel­lek­tu­el­len­avant­garde jener Epoche weckte. Der Einfluss des Surrea­lismus war auf dem Gebiet der Fotografie besonders stark, da ihr eine zentrale Rolle bezüglich der Wahrneh­mung von Realität zukam.

Brassaïs Hinwen­dung zur Fotografie hatte vermut­lich auch, wenn nicht gar vor allem, ökono­mi­sche Gründe, denn er hatte erkannt, dass er in diesem Medium wohl mehr Geld verdienen könnte als mit seinen Artikeln.

Die Ausstel­lung zeigt ca. 150 Fotogra­fien und Zeich­nungen aus den Jahren 1932 bis 1960 und ist in sechs Kapitel unter­teilt. Sie beginnt mit dem Nächt­li­chen Paris (1932), widmet sich dann der Zeitschrift Minotaure (1933–1939), den sogenannten Trans­mu­ta­tionen, den Zeich­nungen, den Aufnahmen für das Fotobuch Camera in Paris und schließ­lich den Graffiti (1960). Stell­ver­tre­tend für das bildhaue­ri­sche Werk Brassaïs ist eine Skulptur des Künstlers zu sehen.

Berühmt wurde Brassaï durch seine Nacht­an­sichten von Paris. In den 30er-Jahren des letzten Jahrhun­derts durch­streifte er alleine oder zusammen mit Schrift­stel­lern wie Henry Miller oder Raymond Queneau die nächt­liche Metropole. Der Erfolg einer Veröf­fent­li­chung dieser Aufnahmen ermutigte Brassaï auch bei Tag Szenen in den Straßen von Paris zu fotogra­fieren. Der Kontakt zu den Surrea­listen wiederum erweckte in ihm das Interesse am „Primi­tiven“ und es entstanden in der Folge die fotogra­fi­schen Werkgruppen der „Sculp­tures involon­taires“, der „unwill­kür­li­chen“ Skulp­turen. Fundstücke wie Fahrscheine, Seifen, Zündhölzer oder Finger­hüte wurden zum Bildge­gen­stand und erhielten skulp­tu­rale Quali­täten. Bei den Trans­mu­ta­tionen wurden belich­tete Glasne­ga­tive als Rohma­te­rial für Zeich­nungen verwendet. Brassaï ritzte seine Zeich­nungen in die Negative und belich­tete diese erneut. Vorzugs­weise Aufnahmen weibli­cher nackter Körper verwan­delte er dabei in grafische Gebilde, in Gitarren‑, Geigen- oder Mando­li­nen­frauen und ließ so den Einfluss Pablo Picassos offen­sicht­lich werden.

Für seine Graffiti-Aufnahmen fand Brassaï seine Motive an zerschlis­senen Wänden und zerkratzten Mauern der Stadt. Er sah in diesen zufäl­ligen und anarchi­schen zeich­ne­ri­schen Äußerungen eine Verwandt­schaft zu Höhlen­zeich­nungen. Hier werden die Wechsel­be­zie­hungen zu künst­le­ri­schen Positionen wie jenen von Jean Dubuffet oder Jean Fautrier mit ihrer Art Brut spürbar.

Auch die zeich­ne­ri­sche Aktivität Brassaïs wurde von Pablo Picasso gefördert, sodass er im Jahr 1945 gar eine ganze Ausstel­lung diesem Medium widmete und parallel zu seinem fotogra­fi­schen Werk stets neue Zeich­nungen entstanden und auch das skulp­tu­rale Œuvre immer weiter wuchs.

„Das Banale und Konven­tio­nelle aufzu­saugen und daraus etwas Neues und Packendes zu machen, einen Aspekt des Alltags so zu zeigen, als sähe man ihn zum ersten Mal“, lautete das künst­le­ri­sche Credo Brassaïs.

Vielfach geehrt und mit Preisen ausge­zeichnet starb Brassaï am 7. Juli 1984 in Beaulieu-sur-Mer. Er wurde auf dem Friedhof Montpar­nasse in Paris beigesetzt.

Die Ausstel­lung wurde vom Centre Georges Pompidou in Paris konzi­piert und organisiert.