Brassaï
Das Auge von Paris
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Immer wieder hat das Kunstmuseum Wolfsburg in monografischen Ausstellungen das Werk einzelner Fotografen vorgestellt und so ist die Ausstellung „Brassaï. Das Auge von Paris“ in der Reihe der ‚Fotoklassiker‘ wie Man Ray und Pietro Donzelli, aber auch Ed van der Elsken und Richard Avedon zu sehen.
Brassaï, 1899 im damals ungarischen Brasso geboren, emigrierte im Jahr 1920 zunächst nach Berlin, wo er die Kunstakademie besuchte und Bekanntschaft mit Künstlern wie Wassily Kandinsky, Oskar Kokoschka und László Moholy-Nagy schloss. Im Jahr 1924 siedelte er schließlich nach Paris über, wo er seine berufliche Laufbahn nicht als Fotograf, sondern als Journalist begann und er vorwiegend für deutschsprachige Zeitschriften arbeitete. Die journalistische Tätigkeit führte ihn schließlich zur Fotografie. Parallel dazu beschäftigte er sich jedoch ebenso mit Literatur und der Bildhauerei. In Paris legte sich der Künstler sein Pseudonym „Brassaï“ zu, welches er aus dem Namen seiner Heimatstadt ableitete.
Die ersten Fotografien Brassaïs entstanden genau zu dem Zeitpunkt, als der Surrealismus in Frankreich Fuß fasste und das Interesse der Künstler- und Intellektuellenavantgarde jener Epoche weckte. Der Einfluss des Surrealismus war auf dem Gebiet der Fotografie besonders stark, da ihr eine zentrale Rolle bezüglich der Wahrnehmung von Realität zukam.
Brassaïs Hinwendung zur Fotografie hatte vermutlich auch, wenn nicht gar vor allem, ökonomische Gründe, denn er hatte erkannt, dass er in diesem Medium wohl mehr Geld verdienen könnte als mit seinen Artikeln.
Die Ausstellung zeigt ca. 150 Fotografien und Zeichnungen aus den Jahren 1932 bis 1960 und ist in sechs Kapitel unterteilt. Sie beginnt mit dem Nächtlichen Paris (1932), widmet sich dann der Zeitschrift Minotaure (1933–1939), den sogenannten Transmutationen, den Zeichnungen, den Aufnahmen für das Fotobuch Camera in Paris und schließlich den Graffiti (1960). Stellvertretend für das bildhauerische Werk Brassaïs ist eine Skulptur des Künstlers zu sehen.
Berühmt wurde Brassaï durch seine Nachtansichten von Paris. In den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts durchstreifte er alleine oder zusammen mit Schriftstellern wie Henry Miller oder Raymond Queneau die nächtliche Metropole. Der Erfolg einer Veröffentlichung dieser Aufnahmen ermutigte Brassaï auch bei Tag Szenen in den Straßen von Paris zu fotografieren. Der Kontakt zu den Surrealisten wiederum erweckte in ihm das Interesse am „Primitiven“ und es entstanden in der Folge die fotografischen Werkgruppen der „Sculptures involontaires“, der „unwillkürlichen“ Skulpturen. Fundstücke wie Fahrscheine, Seifen, Zündhölzer oder Fingerhüte wurden zum Bildgegenstand und erhielten skulpturale Qualitäten. Bei den Transmutationen wurden belichtete Glasnegative als Rohmaterial für Zeichnungen verwendet. Brassaï ritzte seine Zeichnungen in die Negative und belichtete diese erneut. Vorzugsweise Aufnahmen weiblicher nackter Körper verwandelte er dabei in grafische Gebilde, in Gitarren‑, Geigen- oder Mandolinenfrauen und ließ so den Einfluss Pablo Picassos offensichtlich werden.
Für seine Graffiti-Aufnahmen fand Brassaï seine Motive an zerschlissenen Wänden und zerkratzten Mauern der Stadt. Er sah in diesen zufälligen und anarchischen zeichnerischen Äußerungen eine Verwandtschaft zu Höhlenzeichnungen. Hier werden die Wechselbeziehungen zu künstlerischen Positionen wie jenen von Jean Dubuffet oder Jean Fautrier mit ihrer Art Brut spürbar.
Auch die zeichnerische Aktivität Brassaïs wurde von Pablo Picasso gefördert, sodass er im Jahr 1945 gar eine ganze Ausstellung diesem Medium widmete und parallel zu seinem fotografischen Werk stets neue Zeichnungen entstanden und auch das skulpturale Œuvre immer weiter wuchs.
„Das Banale und Konventionelle aufzusaugen und daraus etwas Neues und Packendes zu machen, einen Aspekt des Alltags so zu zeigen, als sähe man ihn zum ersten Mal“, lautete das künstlerische Credo Brassaïs.
Vielfach geehrt und mit Preisen ausgezeichnet starb Brassaï am 7. Juli 1984 in Beaulieu-sur-Mer. Er wurde auf dem Friedhof Montparnasse in Paris beigesetzt.
Die Ausstellung wurde vom Centre Georges Pompidou in Paris konzipiert und organisiert.