Baustellen der Subversion. Update #7

14. 6. 2003 — 18. 4. 2004

Infos

Mit der Ausstel­lung „Gesam­melte Werke 1“, die einen Überblick über die Erwer­bungen 1993 bis 1999 zum Gegen­stand hatte, wurde die erste Phase des Sammlungs­auf­baus, das „Tuning Up“, abgeschlossen. Mit der Update-Reihe wurde seitdem das im Frühjahr 2000 begonnene Konzept für die Sammlungs­aus­stel­lungen fortge­setzt. Zusammen mit Leihgaben und „Werken der Wunsch­liste“ konzi­piert das Kunst­mu­seum seit diesem Zeitpunkt Ausstel­lungen auf der Grundlage des Sammlungs­be­standes zu ausge­wählten Themenbereichen.

Mit der Ausstel­lung „XTOONE“ hatte das Kunst­mu­seum 1995 erstmals das Werk Georg Herolds in seiner ganzen Bandbreite vorge­stellt. Mit dem „Lichthaus“ und dem „Bilder­zimmer“ (beide 1995) konnten aus dieser Ausstel­lung eine kapitale Einzel­ar­beit und ein komplettes Ensemble dieses Künstlers erworben werden, in denen Herolds „fröhli­cher Dekon­struk­ti­vismus mit einem kriti­schen Impuls“ offen zutage tritt. So vereinigt das „Bilder­zimmer“ Arbeiten, die in den Jahren 1988 bis 1995 entstanden sind und in der Regel am Beginn von „Versuchs­reihen“ des Künstlers standen. Es finden sich Beispiele für Ziegel­stein-Bilder, Collagen aus Plastik­tüten, vier Kaviar­bilder und zwei Multiple-Vitrinen, die den tradi­tio­nellen Kunst­be­griff infrage stellen und den Betrachter syste­ma­tisch verun­si­chern, um ihn zu einer – oft durch Humor und Ironie gewürzten – neuen Perspek­tive auf alltäg­liche Verhal­tens­weisen und Gegen­stände zu provo­zieren. Einige Leihgaben wie „Die Verwand­lung von Dachlatten in Gold“ werden dieses Konzept noch verdeutlichen.

Auch Manfred Pernices Werke heben sich von den Hochglanz­ar­beiten seiner Zeitge­nossen vor allem durch ihren spröden und unfer­tigen Charakter ab. Zunächst scheinen sie auf vertraute Utensi­lien – vor allem Behält­nisse verschie­dener Art – abzuzielen, unter­graben diese Vertraut­heit jedoch bei näherem Hinschauen durch die Rohheit bzw. das Fragmen­ta­ri­sche ihrer Verar­bei­tung. Seine Archi­tek­turen, Container und floßar­tigen Gebilde verun­si­chern den Betrachter, da sie zunächst keinerlei Sinn zu stiften scheinen: Pernice spricht daher auch von einem „Unsinnzu­sam­men­hang“ den der Besucher betritt, „eine unerträg­liche Zumutung von Einzel­aspekten, die nur als künst­le­ri­scher Entwurf akzep­tabel ist und doch poten­ziell einen Typus alltäg­li­cher Wahrneh­mung paral­le­li­siert. Dieser Typus ist die hetero­gene Situation – eine temporäre oder perma­nente Koexis­tenz von anein­ander nicht inter­es­sierten Einzel­aspekten. […] Jede Beschäf­ti­gung des Betrach­ters mit einem Einzel­aspekt ergibt Sinn, die Aspekte insgesamt jedoch nicht. Auf der Suche nach Sinnfäl­lig­keit werden diese Unsinn­s­i­tua­tionen meist nicht bemerkt, obwohl das Leben voll davon ist.“ Neben dem „1a Dosenfeld ’00“ aus der Sammlung wird auch Manfred Pernices documenta-Arbeit von 2002, „ESTREL: Quattro Stagioni“, präsentiert.

Mit dem „Lauf der Dinge“ und ihrem „Kanal-Video“ (zer)stören Peter Fischli und David Weiss die Erwar­tungen an den Umgang mit alltäg­li­chen Dingen. Während im „Lauf der Dinge“ vornehm­lich Haushalts­ge­gen­stände in immer neuen Konstel­la­tionen in einer scheinbar endlos langen Ketten­re­ak­tion ein energie­rei­ches Eigen­leben entwi­ckeln, wurden im „Kanal-Video“ sämtliche störenden Elemente entfernt, um in einer endlosen Gerade­aus­fahrt durch Kanal­röhren bei gleich­blei­bender Geschwin­dig­keit jede Hoffnung auf eine kurzwei­lige Handlung zu enttäu­schen. Die Nützlich­keit, die Funktio­na­lität der Dinge wird in einen absurden Zusam­men­hang überführt.

Über die Dehnung von Raum und Zeit gelingt es Bruce Nauman in seiner Video­in­stal­la­tion „Falls, Pratfalls and Sleights of Hand“, den Betrachter in den Zustand der Desin­for­ma­tion und Verun­si­che­rung zu führen. Indem Nauman rund um den Betrachter sowohl alltäg­liche Handlungs­ab­läufe wie auch Zauber­tricks bis unterhalb der Ebene des Erkennens extrem verlang­samt, schafft er ein Modell für die Undurch­schau­bar­keit unserer modernen, funktional diffe­ren­zierten Gesellschaft.