Bruce Nauman
Image/Text. 1966-1996
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Das Konzept der Ausstellung folgt zwei Leitlinien im Werk von Bruce Nauman: zum einen dem unterschiedlichen Einsatz von Bild- und Textsprache sowie den Elementen einer Musikalität, die sich sowohl klanglich als auch visuell darstellt; zum anderen dem Entwicklungsprozess, dem die Rolle des Betrachters unterworfen ist. Organisiert wird die Ausstellung von Christine Van Assche, Kuratorin am Centre Georges Pompidou, Paris. Ihre Premiere hat die Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg. Das Centre Georges Pompidou präsentiert sie vom 9. Dezember 1997 bis 9. März 1998. Anschließend wird die Ausstellung in der Londoner Hayward Gallery und im Museum of Contemporary Art in Helsinki zu sehen sein.
Bruce Nauman hat ein umfangreiches Werk geschaffen, das sich allen Kategorisierungen oder Einordnungen in Stilgruppen entzieht. Seine Arbeiten zeugen von einer reichen Vielfalt der Verfahren, Konzepte, Materialien und Gattungen. Nur wenige künstlerische Strategien der Gegenwart weisen eine solche Vielschichtigkeit und interdisziplinäre Verflechtung auf und nur wenige entwickeln ein so universales und eindringliches Denken.
1941 in Fort Wayne, Indiana (USA) geboren, studierte Bruce Nauman Mathematik, Physik, Kunst, Musik und Philosophie. Er lehrte am San Francisco Art Institute und an der Universität von Kalifornien und lebt heute in Galisteo, New Mexico. Noch während seines Studiums gab er die Malerei auf und beschäftigte sich mit Bildhauerei, Performance, Performance-Verfilmung, Film- und Videoarbeiten ferner mit Neonskulpturen, Installationen und Environments. Zurzeit realisiert er hauptsächlich Videoinstallationen, darüber hinaus entstehen weiterhin Zeichnungen, Fotos und Fotocollagen. Seine Arbeiten wurden regelmäßig ausgestellt; in Amerika sowie in Deutschland, in den Niederlanden und in der Schweiz. Das Walker Art Center Minneapolis organisierte vor wenigen Jahren eine große, von einem Werkverzeichnis begleitete Retrospektive, die den Werdegang Naumans und die Entwicklung seiner künstlerischen Strategie darlegte. Die Ausstellung wanderte 1994 und 1995 von Madrid über New York und Los Angeles bis Zürich.
Es gibt gute Gründe, erneut einen größeren Werkkomplex von Bruce Nauman zur Diskussion zu stellen. Das Projekt „Bruce Nauman. Image/Text 1966–1996“ befasst sich eingehend mit Naumans Interesse an der schriftlichen und mündlichen, musikalischen und bildlichen Sprache: Nicht nur die metakonzeptuelle, spielerische Metaphernsprache Marcel Duchamps spielt hier eine Rolle, sondern auch die eindringliche Minimalsprache Samuel Becketts hat ihn angeregt, die reversible metonymische Bildersprache Jasper Johns, die fragmentarische Experimentalsprache Alain Robbe-Grillets, die philosophisch-mathematische Sprache Ludwig Wittgensteins.
Die zweite Orientierung bildet gewissermaßen die Kraftlinie, aus der die Ausstellung ihre Struktur gewinnt: die Entwicklung eines Bewusstseins für die Rolle des Betrachters auf mehreren Ebenen:
1. Der Bezug auf Raum und Zeit verläuft zunächst über Bruce Nauman als Autor und Akteur, der Experimente mit seinem Körper als Medium unternimmt. Nach und nach tritt der Künstler jedoch zurück und überträgt seine Rolle einem anderen Darsteller, wie dem Mimen, dem Clown. Dies entspricht dem Übergang von einer bewussten Subjektivität zur Alterität, zum ‚Anderen‘.
2. Das rhythmische Aufeinanderbeziehen gegensätzlicher Kräfte, mit denen der Betrachter konfrontiert wird.
3. Eine Wendung der künstlerischen Parameter ins Spektakulär-Theatralische, die den Zuschauer in ein befremdendes Netz politischer, gesellschaftlicher und anthropologischer Energien einspannt. Es geht nicht mehr um ein allmähliches Einverständnis mit dem Autor, mit dem Werk, sondern um eine radikale Einbindung in die „Gesellschaft des Spektakels“ (Guy Debord).
Bruce Naumans Arbeit geht fraglos bei Weitem über Beschäftigungen hinaus, die mit der Eigenart des einen oder anderen Mediums zusammenhängen. Er verwendet sämtliche verfügbaren Materialien, buchstabiert sie bis zur Ausschöpfung durch und verändert sie je nach Kontext. Allerdings interessiert er sich dabei weniger für das Objekt, für den Stoff, als vielmehr für die experimentell zu erkundende Struktur, wie etwa in der großen Neonarbeit „One Hundred Live and Die“ von 1984, in der nach einem Zufallsprinzip einhundert verschiedene Befehle aufleuchten: „Love and Die“, „Love and Live“, „Hate and Die“, „Hate and Live“, usw.
Die Ausstellung besteht aus 52 Arbeiten: zwölf audiovisuellen Installationen, einer Klanginstallation, zwei Skulpturen, fünf Neonarbeiten, zehn Zeichnungen, neun Drucken, drei Fotografien, vier Filmen und sechs Videos.
Katalog
Bruce Nauman. Image/Text 1966–1996
Texte von François Albera, Michele de Angelus, Christine van Assche, Chris Dercon, Vincent Labaume, Jean-Charles Masséra, Tony Oursler, Willoughby Sharp, Joan Simon, Marcia Tucker und Gijs van Tuyl
23,5 x 30 cm, 172 S., 105 s/w und 42 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfildern 1997
ISBN 3–89322-922–1
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