Doug Aitken
Metallic Sleep
Infos
Die Ausstellung der Arbeiten Doug Aitkens im Kunstmuseum Wolfsburg ist die erste umfassende Ausstellung des amerikanischen Künstlers in Deutschland und zeigt eine Videoinstallation, eine Sound-Installation und Großfotografien aus den Jahren 1998 bis 2000. In den Kunst-Werken Berlin wird in Ergänzung zur Wolfsburger Ausstellung eine weitere Videoinstallation zu sehen sein.
Auf der 48. Biennale di Venezia im Jahr 1999 gewann Aitken für seine Installation „Electric Earth“, die zentraler Bestandteil der Wolfsburger Ausstellung sein wird, den Premio Internazionale der Jury. Im Rahmen verschiedener Gruppen- und Einzelausstellungen waren seine Arbeiten kürzlich im Centre Georges Pompidou in Paris, im Whitney Museum of American Art in New York und in der Wiener Secession zu sehen.
Doug Aitken, 1968 in Redondo Beach, Kalifornien, geboren, studierte von 1986 bis 1987 am Marymount College in Palos Verdes und von 1987 bis 1991 am Art Center College of Design in Pasadena. Aitken hat zunächst bei einer Vielzahl von Musikvideos Regie geführt wie beispielsweise für Bands wie Fat Boy Slim, Iggy Pop, Barenaked Ladies und m‑ziq. Seine Videos wurden häufig auf den Musikkanälen in Amerika, Asien und Europa gezeigt und Fotoarbeiten gelangten im New York Magazine, im Interview Magazine, im Rolling Stone, dem I‑D Magazine und Ray Gun zur Veröffentlichung. Ein Buch mit seinen Fotografien wurde 1998 unter dem Titel „Metallic Sleep“ veröffentlicht und gab der Ausstellung in Wolfsburg ihren Namen.
Seine Filmarbeiten „Diamond Sea“, „Electric Earth“, „American International“, „Eraser“ und „Cathouse“, die auch als raumgreifende Installationen ausgeführt wurden, präsentierte der Künstler als Single-Channel-Versionen auf internationalen Filmfestivals.
Die Wolfsburger Ausstellung beginnt mit der mehrere Projektionsflächen und Räume umfassenden Installation „Electric Earth“. Der Betrachter, der den ersten Raum von Aitkens Arbeit, die aus 8 Projektionen besteht, betritt, sieht sich dem Protagonisten der Videoarbeit gegenüber, dem exzentrischen Tänzer Ali „Gigi“ Johnson, der mit einer Fernbedienung in der Hand auf einem Bett liegt. „Oft tanze ich so schnell, dass ich zu dem werde, was sich um mich herum befindet“, sagt er mit monotoner Stimme. „Ich absorbiere diese Energie … es ist so als würde ich sie essen. Das ist das einzige Stück Jetzt, was ich bekommen kann.“ Johnson streift durch ein Zwischenreich aus verwüsteten Landschaften, von den Neonlichtern einer Autowaschanlage über die Lichter eines Schaufensters voller Sporttrophäen bis hin zu einem Coca-Cola-Automaten in öder Stadtlandschaft.
In „Electric Earth“ erreicht der Künstler eine Verknüpfung zwischen der elektrifizierten Struktur unserer urbanen Umwelt und dem Nervensystem des menschlichen Körpers. „Ich bin Essentialist“, sagt der 32-jährige Aitken. „Ich wollte etwas auf den Punkt bringen, das vollkommen elementar ist, mit einem Terrain, das sich zugleich überall und nirgends befindet“.
„Hysteria“ aus dem Jahr 1998 ist ursprünglich eine Audio-Videoinstallation, die Aitken für Wolfsburg jedoch erstmalig in als reine Audioinstallation präsentiert. Das emphatische und zuweilen hysterische Schreien von Popfans aus den letzten 40 Jahren hat Aitken von den Bildern der ekstatischen Jugendlichen abgekoppelt. In Ermangelung von Bildern fällt dem Betrachter die Deutung der Schreie schwer. Musik und die Schreie stellen Jugendkult und Körpererfahrung in den Mittelpunkt der Installation.
Ein weiterer zentraler Bestandteil der Wolfsburger Ausstellung ist die Fotoarbeit „Rise“, die das Lichtermeer des nächtlichen Los Angeles zeigt. Ähnlich wie in „Electric Earth“ erscheint hier die Stadt als magischer, elektrifizierter Ort. Immer wieder geht es um eine Art Hyperaktivität auf der einen Seite und den Zustand scheinbarer Ruhe, scheinbaren Stillstands andererseits. Die Stadt ist für Aitken Inbegriff dieser Ambivalenz.
Das Kunstmuseum Wolfsburg hat in der Vergangenheit wiederholt mit Berliner Institutionen zusammengearbeitet, um die Aufmerksamkeit der Berliner auf die Aktivitäten des per ICE kaum eine Stunde entfernten Kunstmuseums zu lenken.
Um das in der Wolfsburger Schau präsentierte künstlerische Spektrum Aitkens zu erweitern, entstand die Idee, in Kooperation mit den Kunst-Werken Berlin für die dortigen Räumlichkeiten eine Videoinstallation auszuwählen. Vom 18. Februar bis zum 8. April wird in der großen Ausstellungshalle der Kunst-Werke die im Jahr 2000 realisierte Videoinstallation „I Am In You“ zu sehen sein. Auf fünf Projektionsflächen sieht man ein junges Mädchen, das einen rätselhaften Text spricht. „I like to run and not slow down. I like to see and look“, raunt das Mädchen und starrt die Besucher ins Übermenschliche vergrößert an. Loops von unterschiedlichen Sequenzen, die spielende Hände, Bilder von Flugzeugen, vom Lenkrad eines Autos und von badenden Kindern zeigen, wechseln sich ab. Der Sound variiert zwischen knisternder Stille, Klavierspiel, technischem Sphärenklang und Höllenlärm.
Alle ausgewählten Werke sind von eindringlicher visueller Intensität, prägen sich ein und spielen im Grenzfeld von Popkultur und Medienkunst. Die Produktionsweise des Künstler ist an der Schnittstelle zwischen industriellem und digitalem Zeitalter angesiedelt und es wird stets deutlich, dass Aitken sein künstlerischen Visionen für seine visuellen Inszenierungen aus dem Feld kommerzieller Videoproduktionen heraus entwickelt hat.
Katalog
Doug Aitken. Notes for New Religions. Notes for No Religions [Künstlerbuch anlässlich der Ausstellung Doug Aitken. Metallic Sleep]
Texte von Francesco Bonami, Veit Görner, Henry Grunwald und Jörg Heiser (dt./engl.)
26,5 x 21 cm, ca. 114 S., 79 farbige Abb.
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 2001
ISBN 3–7757-1060–4
vergriffen