Ed van der Elsken

Sweet Life. Fotografie + Film 1949-1990

26. 2. — 21. 5. 2000

Infos

Ed van der Elskens Werk wurde in Deutsch­land zumeist nur in Ausschnitten vorge­stellt. Einem größeren Publikum wurde er durch die Präsen­ta­tion einer Reihe von Arbeiten aus der Serie „Sweet Life“ auf der documenta X in Kassel bekannt. Die Wolfs­burger Schau unter­nimmt den Versuch, den Künstler erstmals umfassend dem deutschen Publikum vorzu­stellen und hierbei vor allem seine Medien­viel­falt zu berück­sich­tigen. Außer van der Elskens Fotos werden auch Filme, Bücher und Dia-Ton-Shows zu sehen sein.

Laut eigenem Bekunden sah van der Elsken im Jahre 1947 eine Ausgabe des Fotobu­ches „Naked City“ des ameri­ka­ni­schen Fotografen Weegee, welches in ihm den Wunsch entstehen ließ, Fotograf zu werden. Weegee und dessen Blick auf die Stadt sollten program­ma­ti­schen Einfluss auf van der Elskens Art zu fotogra­fieren ausüben. Ähnlich wie Robert Frank und William Klein fühlte sich van der Elsken zu den Schat­ten­seiten der mensch­li­chen Existenz hingezogen.

1950 ging van der Elsken nach Paris. In den Fotos, die in der folgenden Zeit entstehen, ist Weegees Einfluss deutlich zu erkennen: Betrun­kene, Obdach­lose, jugend­liche Arbeits­lose, die die Straßen von Saint-Germain-des-Prés zu ihrem Zuhause gemacht hatten. Hunderte von Aufnahmen entstehen in dieser Zeit, die Elsken 1956 in Form eines Fotoro­mans, „Eine Liebe in Saint-Germain-des-Prés“, veröffentlicht.

Im Jahr 1955 kehrt van der Elsken nach Amsterdam zurück. Ist zunächst sein unmit­tel­barer familiärer Kontext Mittel­punkt seines Inter­esses, so beginnt er bald die Jazz-Szene in Amsterdam zu fotogra­fieren, was ihn – ähnlich wie in Paris – wieder hin zur Beobach­tung des sozialen Umfelds und nonkon­for­mis­ti­scher Jugend­li­cher führt.

Im Jahr 1959 macht sich Ed van der Elsken zusammen mit seiner Frau, Gerda van der Veen, auf den Weg zu einer Weltreise, die über ein Jahr dauern wird. Van der Elsken reist im Auftrag zweier Magazine und des nieder­län­di­schen Fernse­hens. Während seiner Weltreise besucht er verschie­dene Länder in Afrika, Asien und Amerika. Sechs Jahre nach seiner Rückkehr wird eine Auswahl dieser Fotos unter dem Titel „Sweet Life“ veröf­fent­licht. Im Verlauf der Reise wurden bereits regel­mäßig Fotos in den Magazinen publi­ziert und Kurzbei­träge im Fernsehen gesendet.

Van der Elsken filmt so wie er fotogra­fiert. Parallel zu den Fotoar­beiten entstehen Filme, die thema­tisch den Fotose­quenzen entspre­chen. Van der Elsken sucht nach einem Weg zwischen beiden Medien und arbeitet in den folgenden Jahren auch als Regie­as­sis­tent oder Kamera­mann für andere Filmemacher.

Für das filmische Werk dieser Zeit wird exempla­risch der 16-mm-Film „Welkom in het leven, lieve kleine“ von 1963 gezeigt. Ed van der Elsken dokumen­tiert darin das Leben seiner Familie und ihr Wohnviertel im Amster­damer Nieuw­markt-Viertel und die Zeit vor und kurz nach der Geburt seines Sohnes Daan Dorus.

Die Farbfo­to­gra­fien aus den 70er-Jahren, die van der Elsken 1977 in dem Buch „Eye Love You“ veröf­fent­lichte, werden als aufein­an­der­fol­gende Diapo­si­tive in der Ton-Dia-Show „Eye Love You“ zu sehen sein.

Der thema­ti­sche Teil der Ausstel­lung bezieht sich auf die wichtigsten Orte, an denen Ed van der Elsken immer wieder gearbeitet hat: Paris, Amsterdam, Tokio. Neben den in den verschie­denen Städten entstan­denen Aufnahmen wird ein zehnmi­nü­tiger Zusam­men­schnitt seines Filmes „Een Fotograf filmt Amsterdam“ von 1982 gezeigt. Die Fotogra­fien aus dem japani­schen Kontext werden durch eine weitere, für die Ausstel­lung in Wolfsburg rekon­stru­ierte Tondia-Show „Tokyo Sinfonie“ ergänzt.

Sein letztes Hauptwerk, der zwischen 1988 und 1990 in Zusam­men­ar­beit mit seiner Frau Anneke van der Elsken-Hilhorst reali­sierte Videofilm „Bye“, dokumen­tiert die letzten 27 Monate in van der Elskens Leben, nachdem bei ihm Krebs diagnos­ti­ziert worden war. Dieser Film über das eigene Sterben beein­druckt durch die Gnaden­lo­sig­keit, mit welcher der Künstler seinen Verfall dokumen­tiert und das Fehlen jeglicher Sentimentalität.

Ed van der Elsken hat in seiner Arbeit die Grenzen zwischen beruf­li­cher und privater Sphäre, zwischen Fotografie und dem wirkli­chen Leben aufge­hoben. Stets ist seine subjek­tive Wahrneh­mung integraler Bestand­teil seiner fotogra­fi­schen und filmi­schen Arbeiten, stets sind seine Bilder auch Dokumente seiner Identität als Künstler, Mann, Liebhaber, Famili­en­vater sowie seines unerschüt­ter­li­chen Optimismus, der sich an seinem Diktum im Film „Be strong everybody. Take care. Show who you are“ manifestiert.

Katalog
Ed van der Elsken. Sweet Life. Fotogra­fien + Film 1949–1990
Texte von Andrea Brodbeck, Marc M. Hartman, Enno Kaufhold, Michael Naura, Hans Schoots, Hripsimé Visser und Fuminori Yokoe. Mit einem Gespräch zwischen Annelie Lütgens und Anneke van der Elsken.
24 x 29,5 cm, 192 S., 134 s/w und 45 farbige Abb.
Hatje Cantz Verlag, Ostfil­dern-Ruit 2000
ISBN 3–7757-0919–3
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