Elizabeth Peyton
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Die Ausstellung der Werke der amerikanischen Künstlerin Elizabeth Peyton bildet den Auftakt einer Reihe von Einzel- oder Gruppenausstellungen zum Thema ‚Malerei‘ im Kunstmuseum Wolfsburg. Gleichzeitig stellt sie eine sehr junge Künstlerpersönlichkeit vor, die in der Sammlung des Museums bereits mit drei Gemälden vertreten ist.
Der Diskurs über zeitgenössische Formen der Malerei wird durch die zeitgleich stattfindende Retrospektive von René Daniëls ergänzt, und die wenige Wochen später beginnende Ausstellung „Andy Warhol. A Factory“ führt gleichsam die historischen Voraussetzungen für Peytons Malerei vor Augen.
Peyton (Jahrgang 1965) malt und zeichnet Porträts von Menschen, die ihr nahestehen. Ihre Beziehung zu den Porträtierten ist dabei ganz unterschiedlich. Es können sowohl Menschen aus ihrem Freundeskreis als auch historische Persönlichkeiten oder Popstars sein: „Ich lese den ‚melody maker‘ wie Marcel Proust“, hat Peyton einmal gesagt. Das heißt, sie macht keinen Unterschied zwischen dem Buch eines Dichters aus dem neunzehnten Jahrhundert, einem Song der Gruppe Oasis oder der Lektüre einer Popzeitschrift. Wichtig allein ist die Intensität der Berührung, die die Künstlerin dazu anregt, sich mit diesen Gefährten im Geiste auseinanderzusetzen. Ob enger Freund oder bewundertes Idol – in Peytons Bildern oder Zeichnungen verwischen sich schließlich die Unterschiede zwischen Freund und Star.
Als Vorlage dienen Fotos aus Büchern, Popzeitschriften oder eigene Schnappschüsse. Die medial vermittelte Erfahrung via Foto, Videoclip, Buch oder CD wird durch den Malprozess der eigenen Welt anverwandelt.
Peyton gehört einer jungen Generation an, die, unbeeindruckt vom Diskurs über Abstraktion und innovative Form, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts traditionelle künstlerische Ausdrucksweisen wiederentdeckt und mit persönlichen, zeitgemäßen Inhalten füllt. Zugleich ist das Schaffen von Elizabeth Peyton ohne die zelebrierte Oberflächlichkeit eines Andy Warhol und die Ikonisierung der Stars in seinen Werken nicht denkbar. Doch geht es Peyton darüber hinaus um eine emotionale Annäherung. Ihre Arbeiten vermitteln zwischen Person und Aura der Porträtierten. Damit durchbricht die Künstlerin die Unpersönlichkeit der Starfotos und Autogrammkarten. Peytons Lasurmalerei mit hochglänzendem Firnis entlockt den Farben ein juwelenhaftes Leuchten und Glühen. So werden die kleinformatigen Tafeln tatsächlich zu modernen Ikonen.
Im letzten Sommer sah Elizabeth Peyton den 1974 entstandenen Film „A Bigger Splash“ über den englischen Maler David Hockney. Fasziniert von diesem Filmporträt, das Hockney als eigenwilliges und charismatisches Idol der britischen Popära darstellt, nahm Peyton ihn in die Reihe ihrer Modelle auf und reagierte mit eigenen Bildern auf einer imaginären, privaten Ebene. So erleben wir den mittlerweile sechzigjährigen, etablierten kalifornischen Malerstar in Peytons Bildern und Zeichnungen noch einmal als den jugendlichen Rebell, der er einst war.
Neben der neuen Werkgruppe zu David Hockney zeigt die Ausstellung eine Gruppe mit Porträts von Prinzessin Diana und ihrem jüngeren Sohn Harry. Als diese Arbeiten im Frühjahr erstmals in London zu sehen waren, reagierte die Boulevardpresse mit heftigen Vorwürfen: Die Künstlerin spekuliere mit den Gefühlen all jener, die um Diana trauerten. Allerdings hatte Peyton keines jener offiziellen, millionenfach veröffentlichten Hochglanzporträts als Vorlage für ihre Annäherung ausgewählt, sondern Fotos von Diana als Teenager oder als Kind sowie Schnappschüsse von Prinz Harry, die den Jungen beispielsweise in der Zuschauermenge bei einem Fußballspiel zeigten. Sie greift auf die Vergangenheit eines Stars zurück und sucht sich jenem Stadium anzunähern, in dem die Berühmtheiten junge Menschen mit alltäglichen Wünschen und Sehnsüchten waren. Die Aura von Melancholie, die alle Figuren Elizabeth Peytons umgibt, macht gleichwohl deutlich, dass die Malerin sich des hohen Preises bewusst ist, den ‚forever young people‘ für gewöhnlich zu zahlen haben.
Die vom Museum für Gegenwartskunst in Basel konzipierte Ausstellung wird durch Zeichnungen und Bilder von Freunden abgerundet, die in der Zeit entstanden sind, als Peyton an der Hockney-Gruppe arbeitete. Somit gibt diese Schau mit ihren 50 Exponaten ein Bild des Schaffens von Elizabeth Peyton der letzten ein bis zwei Jahre wieder.
Katalog
Elizabeth Peyton [Künstlerbuch]
Text von Dave Hickey (dt./engl.)
20 x 25 cm, ca. 44 S., Vice versa mit 10 s/w und 5 farbigen Abb.
Museum für Gegenwartskunst, Basel 1998
ISBN 3–7204-0111–1
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