Elizabeth Peyton

12. 9. 1998 — 4. 1. 1999

Infos

Die Ausstel­lung der Werke der ameri­ka­ni­schen Künst­lerin Elizabeth Peyton bildet den Auftakt einer Reihe von Einzel- oder Gruppen­aus­stel­lungen zum Thema ‚Malerei‘ im Kunst­mu­seum Wolfsburg. Gleich­zeitig stellt sie eine sehr junge Künst­ler­per­sön­lich­keit vor, die in der Sammlung des Museums bereits mit drei Gemälden vertreten ist.

Der Diskurs über zeitge­nös­si­sche Formen der Malerei wird durch die zeitgleich statt­fin­dende Retro­spek­tive von René Daniëls ergänzt, und die wenige Wochen später begin­nende Ausstel­lung „Andy Warhol. A Factory“ führt gleichsam die histo­ri­schen Voraus­set­zungen für Peytons Malerei vor Augen.

Peyton (Jahrgang 1965) malt und zeichnet Porträts von Menschen, die ihr nahestehen. Ihre Beziehung zu den Porträ­tierten ist dabei ganz unter­schied­lich. Es können sowohl Menschen aus ihrem Freun­des­kreis als auch histo­ri­sche Persön­lich­keiten oder Popstars sein: „Ich lese den ‚melody maker‘ wie Marcel Proust“, hat Peyton einmal gesagt. Das heißt, sie macht keinen Unter­schied zwischen dem Buch eines Dichters aus dem neunzehnten Jahrhun­dert, einem Song der Gruppe Oasis oder der Lektüre einer Popzeit­schrift. Wichtig allein ist die Inten­sität der Berührung, die die Künst­lerin dazu anregt, sich mit diesen Gefährten im Geiste ausein­an­der­zu­setzen. Ob enger Freund oder bewun­dertes Idol – in Peytons Bildern oder Zeich­nungen verwi­schen sich schließ­lich die Unter­schiede zwischen Freund und Star.

Als Vorlage dienen Fotos aus Büchern, Popzeit­schriften oder eigene Schnapp­schüsse. Die medial vermit­telte Erfahrung via Foto, Videoclip, Buch oder CD wird durch den Malpro­zess der eigenen Welt anverwandelt.

Peyton gehört einer jungen Genera­tion an, die, unbeein­druckt vom Diskurs über Abstrak­tion und innova­tive Form, am Ende des zwanzigsten Jahrhun­derts tradi­tio­nelle künst­le­ri­sche Ausdrucks­weisen wieder­ent­deckt und mit persön­li­chen, zeitge­mäßen Inhalten füllt. Zugleich ist das Schaffen von Elizabeth Peyton ohne die zelebrierte Oberfläch­lich­keit eines Andy Warhol und die Ikoni­sie­rung der Stars in seinen Werken nicht denkbar. Doch geht es Peyton darüber hinaus um eine emotio­nale Annähe­rung. Ihre Arbeiten vermit­teln zwischen Person und Aura der Porträ­tierten. Damit durch­bricht die Künst­lerin die Unper­sön­lich­keit der Starfotos und Autogramm­karten. Peytons Lasur­ma­lerei mit hochglän­zendem Firnis entlockt den Farben ein juwelen­haftes Leuchten und Glühen. So werden die klein­for­ma­tigen Tafeln tatsäch­lich zu modernen Ikonen.

Im letzten Sommer sah Elizabeth Peyton den 1974 entstan­denen Film „A Bigger Splash“ über den engli­schen Maler David Hockney. Faszi­niert von diesem Filmpor­trät, das Hockney als eigen­wil­liges und charis­ma­ti­sches Idol der briti­schen Popära darstellt, nahm Peyton ihn in die Reihe ihrer Modelle auf und reagierte mit eigenen Bildern auf einer imagi­nären, privaten Ebene. So erleben wir den mittler­weile sechzig­jäh­rigen, etablierten kalifor­ni­schen Malerstar in Peytons Bildern und Zeich­nungen noch einmal als den jugend­li­chen Rebell, der er einst war.

Neben der neuen Werkgruppe zu David Hockney zeigt die Ausstel­lung eine Gruppe mit Porträts von Prinzessin Diana und ihrem jüngeren Sohn Harry. Als diese Arbeiten im Frühjahr erstmals in London zu sehen waren, reagierte die Boule­vard­presse mit heftigen Vorwürfen: Die Künst­lerin speku­liere mit den Gefühlen all jener, die um Diana trauerten. Aller­dings hatte Peyton keines jener offizi­ellen, millio­nen­fach veröf­fent­lichten Hochglanz­por­träts als Vorlage für ihre Annähe­rung ausge­wählt, sondern Fotos von Diana als Teenager oder als Kind sowie Schnapp­schüsse von Prinz Harry, die den Jungen beispiels­weise in der Zuschau­er­menge bei einem Fußball­spiel zeigten. Sie greift auf die Vergan­gen­heit eines Stars zurück und sucht sich jenem Stadium anzunä­hern, in dem die Berühmt­heiten junge Menschen mit alltäg­li­chen Wünschen und Sehnsüchten waren. Die Aura von Melan­cholie, die alle Figuren Elizabeth Peytons umgibt, macht gleich­wohl deutlich, dass die Malerin sich des hohen Preises bewusst ist, den ‚forever young people‘ für gewöhn­lich zu zahlen haben.

Die vom Museum für Gegen­warts­kunst in Basel konzi­pierte Ausstel­lung wird durch Zeich­nungen und Bilder von Freunden abgerundet, die in der Zeit entstanden sind, als Peyton an der Hockney-Gruppe arbeitete. Somit gibt diese Schau mit ihren 50 Exponaten ein Bild des Schaffens von Elizabeth Peyton der letzten ein bis zwei Jahre wieder.

Katalog
Elizabeth Peyton [Künst­ler­buch]
Text von Dave Hickey (dt./engl.)
20 x 25 cm, ca. 44 S., Vice versa mit 10 s/w und 5 farbigen Abb.
Museum für Gegen­warts­kunst, Basel 1998
ISBN 3–7204-0111–1
vergriffen