Gary Hill
Eine Frage der Wahrnehmung
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Bilder und Sprache werden zerlegt und neu erzeugt, Gesten in Sprache verwandelt, Farben werden vertauscht und manipuliert, Texte vorwärts und rückwärts gesprochen. Aus einer Lautsprechermembran, die langsam mit Sand zugeschüttet wird, hört man zuletzt, dass hier eine Stimme begraben liegt … Die Ausstellung Gary Hill. Eine Frage der Wahrnehmung zeigt, wie der US-amerikanische Medien- und Konzeptkünstler seit über fünf Jahrzehnten das Wesen von Bild und Sprache durch das Medium Video offenlegt.
Seit den 1970er-Jahren gehört Gary Hill (*1951 in Santa Monica, lebt in Seattle) zu den bedeutendsten Künstlern, die mit Video, Sprache und elektronischen Medien arbeiten. Mit seinem unnachahmlichen Gespür für die technischen und konzeptuellen Möglichkeiten hat er maßgeblich dazu beigetragen, die medialen Grenzen zwischen Video‑, Performance- und Konzeptkunst in der zeitgenössischen Kunst zu überwinden. Lange bevor die mediale Manipulation Einzug in den Alltag hielt, brachte Gary Hill die Elemente Bild, Sprache und Text im Video immer wieder aufs Neue zusammen, sodass seine Werke ein besonderes Bewusstsein dafür schaffen, wie wir unterschiedliche Informationen wahrnehmen und verarbeiten.
Die Videos und Installationen von Gary Hill erzählen keine Geschichten, ganz im Gegenteil: Mittels der technischen Möglichkeiten orchestriert, moduliert und inszeniert er Erfahrungen oder phänomenologische Erscheinungen. Diese säen einerseits ein erweitertes Bewusstsein und anderseits eine tiefe Skepsis an der Konstruktion von Wahrnehmung, Bedeutung oder Wirklichkeit. Weit über eine reine Bild- und Medienkritik hinaus veranlassen uns seine Arbeiten dazu, unsere gewohnten Wahrnehmungsmuster, aber auch unser Urteilsvermögen infrage zu stellen. Über die Strategie der Diskontinuität entwickelt er neue visuelle und auditive Wahrnehmungs- und Kommunikationsangebote. Mit seiner Kunst nimmt er Bezug auf alltägliche, persönliche, literarische, wissenschaftliche sowie philosophische Erfahrungen und Themen. Dabei ist das Medium niemals nur Mittel zur Darstellung, sondern immer Ort der Reflexion. Er zeigt, „dass die Bilder nicht einfach da sind, sondern mit dem Licht jeden Moment entstehen“ (Gottfried Boehm).
Alle Videoarbeiten Gary Hills sind von starker Intensität und erzeugen gleichzeitig eine große Intimität. Inhaltlich und in ihrer medialen Dynamik arbeiten sie dabei niemals auf eine schnelle Pointe oder einen bestimmten Höhepunkt zu. Es ist eine besondere Eigenschaft seines Werkes, dass Gary Hill sowohl die Inhalte als auch die Effekte stets in einem produktiven Gleichgewicht hält. Insbesondere diese Ausgewogenheit ermöglicht es, Zeitlichkeit bewusst und intensiv zu erleben. Manchmal brennen sich die Bilder dabei buchstäblich auf unsere Netzhaut ein oder entwickeln eine so starke physische Präsenz, dass einzelne Bilder und Worte lange in unserer Erinnerung widerhallen.
Mit 46 Werken aus fünf Jahrzehnten besitzt das Kunstmuseum Wolfsburg den größten Sammlungsbestand des amerikanischen Videopioniers in Deutschland. In den letzten Jahren sind einige neuere Installationen hinzugekommen, die in dieser Ausstellung erstmals gezeigt werden.
Kurator*innen:
Holger Broeker, Elena Engelbrechter