Josef Sudek
Das stille Leben der Dinge. Fotografien von 1940-1970 aus der Moravská Galerie, Brno
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Josef Sudek (1896–1976) ist – neben František Drtikol – der international bekannteste tschechische Fotograf. In Deutschland ist Sudek bisher – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern und den USA – noch in keiner Museumsausstellung gewürdigt worden. Es liegt auch keine deutschsprachige Publikation zu Sudek vor.
Um dieses Versäumnis nachzuholen, zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg mit ca. 120 Arbeiten aus dem großen Sudek-Bestand der Moravská Galerie, Brno (Mährische Galerie in Brünn, Tschechische Republik), eine Auswahl seines reichhaltigen fotografischen Œuvres. Die Ausstellung konzentriert sich auf Sudeks Nachkriegsschaffen, das einen bedeutenden Platz in der Geschichte der Fotografie einnimmt.
Vom Piktoralismus kommend, einer eher malerisch orientierten Fotografie, wandelt sich Sudeks Auffassung in diesen Jahren zum modernen, auf einem eigenständigen fotografischen Blick beharrenden Subjektivismus; eine Haltung, die sich anhand verschiedener fotografischer Zyklen ablesen lässt. Diese Wandlung beginnt mit der Gruppe „Das Fenster meines Ateliers“. Während des Zweiten Weltkrieges an seine Prager Wohnung gebunden, fotografiert Sudek aus dem Fenster in den Innenhof, wobei die von Regentropfen beschlagenen Scheiben nur einen atmosphärischen Durchblick auf die Gegenstände der Außenwelt erlauben und mit den Utensilien auf der Fensterbank eine Mischung von Stillleben und Fernsicht eingehen, die besonders persönliche Züge trägt. Das in dieser Serie angelegte Thema von „Innen“ und „Außen“ setzt sich in 50er-Jahren in „Atelierstillleben“ und Aufnahmen aus Sudeks Garten fort. Der Zyklus „Zaubergärtchen“, bei dem es sich um den Garten des Architekten Rothmayer handelt, verbindet die Verwunschenheit des Ortes mit einer dokumentarischen Modernität in der Wiedergabe der dort aufgestellten und von Rothmayer entworfenen Gartenmöbel.
Besondere Beachtung findet Sudek mit seinen klassisch anmutenden Landschaftsaufnahmen, die er mit einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Panoramakamera aufnimmt. Aktualität gewinnt heute darüber hinaus der Zyklus über die vernichtete Natur aus der Region Moster (Nordböhmen). Die Landschaft ist durch Braunkohleförderung und Industrie verödet, doch ist die Sichtweise, mit der Sudek diese ‚tote‘ Landschaft dokumentiert, dennoch eine humane, lebendige, so wie sein ganzes Schaffen auf Mitgefühl beruht und immer lyrische Züge trägt. In allen seinen Arbeiten gelingt Sudek eine Verschmelzung des Gesehenen mit dem Vorgang des Sehens selbst, indem er dem Licht die zentrale Aufgabe bei der Hervorrufung dieser Illusion zuweist.
Der die Ausstellung dokumentierende Katalog enthält neben 80 Abbildungen (4‑Farbdruck) ein Essay des tschechischen Sudek-Spezialisten Antonín Dufek, der sich eingehend mit dem Gesamtcharakter und den Wandlungen des Sudek’schen Werkes und seiner Einordnung in den internationalen Kontext befasst. Erweitert durch Selbstzeugnisse des Künstlers, einer Bibliografie und Biografie, soll dieser Katalog sowohl dem deutschen Fachpublikum als auch dem interessierten Laien einen Einblick in das Werk dieses bedeutenden Fotografen geben.
Katalog
Josef Sudek. Das stille Leben der Dinge. Fotografien von 1940–1970 aus der Moravská Galerie, Brno
Text von Antonín Dufek
20 x 25 cm, 143 S., 68 s/w und 19 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfildern 1998
ISBN 3–89322-356–8
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