Josef Sudek

Das stille Leben der Dinge. Fotografien von 1940-1970 aus der Moravská Galerie, Brno

7. 3. — 24. 5. 1998

Infos

Josef Sudek (1896–1976) ist – neben František Drtikol – der inter­na­tional bekann­teste tsche­chi­sche Fotograf. In Deutsch­land ist Sudek bisher – im Gegensatz zu anderen europäi­schen Ländern und den USA – noch in keiner Museums­aus­stel­lung gewürdigt worden. Es liegt auch keine deutsch­spra­chige Publi­ka­tion zu Sudek vor.

Um dieses Versäumnis nachzu­holen, zeigt das Kunst­mu­seum Wolfsburg mit ca. 120 Arbeiten aus dem großen Sudek-Bestand der Moravská Galerie, Brno (Mährische Galerie in Brünn, Tsche­chi­sche Republik), eine Auswahl seines reich­hal­tigen fotogra­fi­schen Œuvres. Die Ausstel­lung konzen­triert sich auf Sudeks Nachkriegs­schaffen, das einen bedeu­tenden Platz in der Geschichte der Fotografie einnimmt.

Vom Pikto­ra­lismus kommend, einer eher malerisch orien­tierten Fotografie, wandelt sich Sudeks Auffas­sung in diesen Jahren zum modernen, auf einem eigen­stän­digen fotogra­fi­schen Blick behar­renden Subjek­ti­vismus; eine Haltung, die sich anhand verschie­dener fotogra­fi­scher Zyklen ablesen lässt. Diese Wandlung beginnt mit der Gruppe „Das Fenster meines Ateliers“. Während des Zweiten Weltkrieges an seine Prager Wohnung gebunden, fotogra­fiert Sudek aus dem Fenster in den Innenhof, wobei die von Regen­tropfen beschla­genen Scheiben nur einen atmosphä­ri­schen Durch­blick auf die Gegen­stände der Außenwelt erlauben und mit den Utensi­lien auf der Fenster­bank eine Mischung von Still­leben und Fernsicht eingehen, die besonders persön­liche Züge trägt. Das in dieser Serie angelegte Thema von „Innen“ und „Außen“ setzt sich in 50er-Jahren in „Atelier­still­leben“ und Aufnahmen aus Sudeks Garten fort. Der Zyklus „Zauber­gärt­chen“, bei dem es sich um den Garten des Archi­tekten Rothmayer handelt, verbindet die Verwun­schen­heit des Ortes mit einer dokumen­ta­ri­schen Moder­nität in der Wieder­gabe der dort aufge­stellten und von Rothmayer entwor­fenen Gartenmöbel.

Besondere Beachtung findet Sudek mit seinen klassisch anmutenden Landschafts­auf­nahmen, die er mit einer aus dem 19. Jahrhun­dert stammenden Panora­ma­ka­mera aufnimmt. Aktua­lität gewinnt heute darüber hinaus der Zyklus über die vernich­tete Natur aus der Region Moster (Nordböhmen). Die Landschaft ist durch Braun­koh­le­för­de­rung und Industrie verödet, doch ist die Sicht­weise, mit der Sudek diese ‚tote‘ Landschaft dokumen­tiert, dennoch eine humane, lebendige, so wie sein ganzes Schaffen auf Mitgefühl beruht und immer lyrische Züge trägt. In allen seinen Arbeiten gelingt Sudek eine Verschmel­zung des Gesehenen mit dem Vorgang des Sehens selbst, indem er dem Licht die zentrale Aufgabe bei der Hervor­ru­fung dieser Illusion zuweist.

Der die Ausstel­lung dokumen­tie­rende Katalog enthält neben 80 Abbil­dungen (4‑Farbdruck) ein Essay des tsche­chi­schen Sudek-Spezia­listen Antonín Dufek, der sich eingehend mit dem Gesamt­cha­rakter und den Wandlungen des Sudek’schen Werkes und seiner Einord­nung in den inter­na­tio­nalen Kontext befasst. Erweitert durch Selbst­zeug­nisse des Künstlers, einer Biblio­grafie und Biografie, soll dieser Katalog sowohl dem deutschen Fachpu­blikum als auch dem inter­es­sierten Laien einen Einblick in das Werk dieses bedeu­tenden Fotografen geben.

Katalog
Josef Sudek. Das stille Leben der Dinge. Fotogra­fien von 1940–1970 aus der Moravská Galerie, Brno
Text von Antonín Dufek
20 x 25 cm, 143 S., 68 s/w und 19 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfil­dern 1998
ISBN 3–89322-356–8
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