Never Ending Stories. Der Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte
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Der Loop ist allgegenwärtig – ob in der Musik, der Videokunst oder in Hotellobbys und Wohnzimmern, wo auf Monitoren Kaminfeuer endlos flackern oder Fische im Aquarium umherflirren. Zugleich ist der geschlossene Kreislauf, die Endlosschleife, spätestens seit der Antike ein wesentlicher Topos der Kulturgeschichte, Alchemie und Philosophie. Mit „Never Ending Stories“ präsentiert das Kunstmuseum Wolfsburg weltweit erstmals eine formal und inhaltlich sowie räumlich und zeitlich weit ausgreifende, interdisziplinäre Recherche zum Phänomen der Endlosschleife in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte. Das Kreisen in geschlossenen Systemen spannt sich vom altägyptischen Ouroboros – der Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt – bis zu zeitgenössischen Multimedia-Installationen und kennzeichnet, das macht seine besondere Bedeutung aus, in der menschlichen Psyche zugleich Trance, Traum und Trauma.
Der eigens für die Ausstellung entwickelte Architekturparcours ermöglicht in 14 Kapiteln neben zahlreichen mentalen Rotationen auch räumlich-körperliche Erfahrungen des Loops. Der Bogen der Schau spannt sich vom „Ouroboros“-Oktogon – einer Schatzkammer der Kulturgeschichte – über den „Zen“-Saal bis hin zur quadratisch verspiegelten „Music Hall“. Anthropologisch orientierte Ausstellungskapitel wie „Eros in der Endlosschleife“, „Die Verdauung der Welt“, „Politik: Zwischen Themenkarussell und Teufelskreis“ oder „Architektur ohne Ende“ weiten sich immer aufs Neue zu Kino‑, Installations- und Selbsterfahrungsräumen: Großzügige Black Boxes mit Videoloops von Salla Tykkä, Rodney Graham oder Omer Fast treffen auf immersive Rauminstallationen von Douglas Gordon, Ragnar Kjartansson oder Bruce Nauman. Geradezu kontrapunktisch können wir Yayoi Kusamas trancehafte Lichtunendlichkeit auf vier mal vier Metern und Gregor Schneiders ultimativen Raumloop „Bad“ auf mehr als 500 Quadratmetern erleben.
Die selten fokussierte Endlosschleife des Glücks im archetypischen Märchen – „… and they lived happily ever after“ (Nedko Solakov) – trifft im „Loopodrom“ des Kunstmuseums auf die „Zirkelschlüsse und Lesemaschinen“ der Literatur, für die James Joyce, Raymond Roussel und Gertrude Stein, aber auch Johann Wolfgang von Goethe, Georg Büchner und Julio Cortázar Pate stehen. Das Kapitel „Wundermaschine Film“ thematisiert den multimedialen Einsatz des Loops vom ersten Kuss der Filmgeschichte 1896 über Marcel Duchamps hypnotisches „Anémic Cinéma“, entstanden 1925, bis hin zu Thomas Bayrles Film „Loop“ von 2008. „Mensch und Maschine im Kreisverkehr“ vereint Frank B. Gilbreths frühe Arbeitseffizienz-Untersuchungen mit der Samuel Beckett nahen Ineffizienz-Absurdität von Juan Muñoz’ „Living in a Shoe Box“. „Der Künstler im Loop“ bündelt in sich kreisende Selbstreflexionen von Akteuren der Moderne wie Gegenwart. Während Markus Raetz sein von Endlosschleifen durchzogenes Lebenswerk konzentriert verräumlicht, ist dank Max Grau ein fulminanter filmmusikalischer Metaloop zu erleben: Die audiovisuelle Endlosschleife kommentiert sich selbst.
Am Ende der Schau schließt sich ein letztes Mal ein Kreis im Kreis im Kreis … Sandra Filics Sound- und Plattenspielerinstallation „Loop“ lässt immerfort das Knistern, Rauschen und Knacken der Auslaufrille einer Schallplatte hören – medienhistorische Nostalgie und zugleich Leerlauf in Permanenz und Reinkultur: Die Endlosigkeit der letzten Schallplattenrille ist nur ein kleines Signal und doch zugleich das große Finale, wo Form und Inhalt in eins fallen.
Die Künstler
Adel Abdessemed, Abramović/Ulay, Francis Alÿs, Rosa Barba, Robert Barta, Thomas Bayrle, Max Beckmann, Joseph Beuys, Michel Blazy, Étienne-Louis Boullée, Marcel Broodthaers, Philip Corner, Julio Cortázar, Attila Csörgő, Salvador Dalí, Wim Delvoye, Marcel Duchamp, Thomas A. Edison, Maurits Cornelis Escher, Juan Esteban Fassio, Omer Fast, León Ferrari, Sandra Filic, Robert Filliou, Fischli/Weiss, Robert Fludd, Frank B. Gilbreth, Douglas Gordon, Rodney Graham, Max Grau, Anton Henning, Seikô Hirata, James Joyce, William Kentridge, Athanasius Kircher, Ragnar Kjartansson, Kraftwerk, Yayoi Kusama, Stanley Kubrick, Claude-Nicolas Ledoux, Tim Lewis, Sarah Lucas, Guillaume de Machaut, Michael Maier, Matthäus Merian d. Ä., Robert Müller, Juan Muñoz, Eadweard Muybridge, Bruce Nauman, OMA, Nam June Paik, Giambattista della Porta, Barbara Probst, Markus Raetz, Bridget Riley, Peter Roehr, Raymond Roussel, Erik Satie, Markus Schinwald, Gregor Schneider, Richard Serra, Shunsô Shôjû, Nedko Solakov, Daniel Spoerri, Gertrude Stein, Donna Summer, Roland Topor, Salla Tykkä, Günther Uecker, Andy Warhol u. a. m.
Der Katalog
Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Grundlagenwerk in deutscher und englischer Ausgabe, herausgegeben von Ralf Beil, das das vielseitige Thema ebenso wissenschaftlich wie kreativ beleuchtet und darüber hinaus Werkkommentare zu den Exponaten der Schau versammelt. 13 eigens für das Katalogbuch erstellte Essays von Aleida Assmann, Jan Assmann, Ralf Beil, Norbert Bolz, Claudia Dillmann, Michael Glasmeier, Lars Jaeger, Joachim Kalka, Stefan Klein, Peter Kraut, Niklas Maak, Peter Sloterdijk und Franziska Stöhr treffen auf Werktexte von Stephanie Lovász und Michael Schultze sowie Quellentexte von Étienne-Louis Boullée, Julio Cortázar, Johann Wolfgang von Goethe, Kraftwerk, Friedrich Nietzsche, Platon und Simon Reynolds. Der Katalog, gestaltet von Eggers + Diaper, erscheint im Hatje Cantz Verlag. Die Hardcover-Publikation umfasst 360 Seiten mit rund 650 Abbildungen und kostet im MUSEUMSHOP 45 €.
Videos
Pressestimmen
„Sich selbst fressende Schlangen, Spiegelkabinette. Eine Kamera, die ein Tonband filmt, das die Geräusche der Kamera aufnimmt, die das Tonband filmt. Alles über den Loop im Kunstmuseum Wolfsburg.“
Bettina Maria Brosowsky, Bauwelt, 12.1.2018
Das Kunstmuseum zeigt unendliche Geschichten und findet den Weg wieder heraus
Kerstin Stremmel, Neue Zürcher Zeitung, 4.1.2018
[…] Bei einer Ausstellungsfläche von 3500 Quadratmetern haben sich grossangelegte Themenausstellungen im Wolfsburger Kunstmuseum etabliert, der derzeitige Direktor Ralf Beil macht seit langem mit interdisziplinär angelegten Präsentationen Furore. […] Play it again, Ralf.
Endlosschleifen können positiv wie negativ besetzt sein. Von dieser These ausgehend erläutert Ralf Beil, Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, das Phänomen des Loops.
SWR2 Matinee , 10.12.2017
„Spanning multiple mediums, time periods and fields, the exhibition explores the concept of the loop on a hitherto unseen scale.”
Joobin Bekhrad, BBC Culture, 4.12.2017
Heutzutage scheint die Allgegenwart des Loops seinen Grund weniger in der Referenz auf natürliche Zyklen zu haben, als einen Leerlauf zu beschreiben. Auch hierfür hat die Kunst ein herrlich treffendes und beinahe niedliches Sinnbild gefunden. Es ist Robert Bartas Modelleisenbahn, die nicht von der Stelle kommt, weil die kreisförmige Schienentrasse unter ihren Rädern sich in gleicher Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung dreht: Der rasende Stillstand hat die Idee des Fortschritts abgelöst.
Ronald Berg, taz, 1.12.2017
„Loops machen die Welt wahrnehmbar. In Wolfsburg dreht sich nicht alles um Gegenwartskunst. Direktor Ralf Beil schlägt kühn den ganz großen Bogen seit der Antike.“
Jens Hinrichsen, monopol, 14.11.2017
„Eine Schlange beisst sich in den eigenen Schwanz. Dass es dafür offenbar ein reales Vorbild gibt, sieht man im Raum zum Thema Verdauung. Eine Schlange, die unter Wärmestress leidet, frisst sich selbst auf. Keine künstlerische Arbeit, sondern ein millionenfach geteiltes YouTube-Video (Username: Rob Mott), ist es dennoch das vielleicht stärkste Bild der Ausstellung und Sinnbild für unsere im Wiederholungsmodus festgefressene, heiss gelaufene Welt.“
Miriam Wiesel, Kunstbulletin, 1.11.2017
„Eine so bildstarke wie gedankenvolle Ausstellung, die einen mit sich selbst konfrontiert.“
Thorsten Mack, NDR Kulturjournal, 30.10.2017
Der Loop – eine unendliche Geschichte
Susanne Luerweg, Deutschlandfunk, Sendung “Corso”, 30.10.2017
Die Ausstellung ist keine trockene Lehrstunde, sondern ein anregender Parcours mit Loops aus allen Epochen und allen Kunstrichtungen. So hängt eine Installation von Bruce Naumann, auf der zwei Finger, geformt aus Leuchtröhren, immer wieder in ein Auge stoßen im selben Raum wie eine Arbeit von Max Beckmann. Vierzehn verschiedene Themenfelder umfasst die Schau: von Politik bis Film über Mensch und Maschine im Kreisverkehr bis hin zu Eros in der Endlosschleife am Beispiel von Andy Warhols Film “Kiss”.
„Mit „Never Ending Stories. Der Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte“ ist Ralf Beil und seinem Team im wahrsten Sinne des Wortes eine „runde“ Ausstellung gelungen. Es liegt auf der Hand, dass ein so grundsätzliches Phänomen nicht erschöpfend behandelt werden kann. Die Schau bietet aber auf niederschwellige und dennoch keineswegs plumpe Art und Weise einen umfangreichen Überblick über die Idee des Unendlichen, des Kreises und der ewigen Wiederholung in Geschichte und Gegenwart.“
Anna Wegenschimmel, art-in.de, 28.10.2017
„Eine Ausstellung in Wolfsburg erkundet jetzt alle Erscheinungsformen der nicht endenden Wiederholung und zwar in einem ziemlich großen Bogen, der vom tibetischen Rad des Werdens mit seinem unendlichen Kreislauf der Wiedergeburt bis zu Stanley Kubricks „2001“ und zum neuen apple-Hauptquartier reicht. Überall sich drehende Räder, Kreise, Schleifen. Es scheint als wären das Harmonisch-Runde und die grenzenlosen Räume Merkmale eines Jahrtausende alten Exorzismus, eine Methode, sich irgendwie gegen die Zeit zu behaupten. […] War der Loop trotz seiner Allgegenwart bisher ein unterschätztes Phänomen, dann ändert sich das vielleicht mit der Ausstellung in Wolfsburg.“
Miriam Böttger, ZDF aspekte, 27.10.2017
Die Ausstellung „Never Ending Stories“ im Kunstmuseum Wolfsburg begibt sich jetzt anhand einer überwältigenden Vielzahl von Exponaten aus rund 1800 Jahren Kulturgeschichte auf Spurensuche. Die Schau versteht sich dabei nicht nur als reine Kunstausstellung sondern als umfangreiche Erforschung des Phänomens in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte.
Nicole Büsing, Heiko Klaas, DARE Magazin, 27.10.2017
Verstörendes Gefängnis Duschkabine
Janek Wiechers, NDR Kultur, 26.10.2017
Physisch erlebbar wird die endlose Wiederholung in einer faszinierenden Arbeit des Künstlers Gregor Schneider. Die Besucher schreiten durch 21 immer gleiche Räume – exakte Kopien eines unwirtlichen, fensterlosen Badezimmers mit Duschkabine. Tür um Tür gelangt man in den immer gleichen Raum. Das Durchschreiten wird so zum verstörenden Loop, der Fragen aufwirft, ob das, was wir wahrnehmen, wirklich echt ist.
Ohne Anfang kein Ende
MADAME, Kultur-News, 12.10.2017
„Seit Jahrhunderten beschäftigt die Endlosschleife Kreative auf der ganzen Welt. Das Kunstmuseum Wolfsburg widmet diesem Phänomen eine spannende Ausstellung.“