Oil

Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters

4. 9. 2021 — 9. 1. 2022

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Kein anderer Stoff wird die Gesell­schaften im 20. und begin­nenden 21. Jahrhun­dert so geprägt haben wie das Erdöl. Flugzeuge, Panzer und Weltraum­ra­keten, Autobahnen, Shopping Malls und Vorort­sied­lungen, Nylon­strümpfe, Plastik­berge und Vinyl – zentrale Materia­lien und Techno­lo­gien, Lebens­weisen und Visionen unserer Zeit verdanken sich der Energie­dichte und Wandel­bar­keit von Erdöl. Jetzt zeichnet sich jedoch die Dämmerung des „Ölzeit­al­ters“ ab, auch wenn dessen  Ende weder genau datiert noch in seinen Auswir­kungen abgeschätzt werden kann. Die Ausstel­lung Oil. Schönheit und Schrecken des Erdöl­zeit­al­ters wirft daher einen speku­la­tiven, poeti­schen Blick zurück auf die seit rund 100 Jahren andau­ernde Gegenwart der Erdöl­mo­derne. Aus der Distanz einer hypothe­ti­schen Zukunft wird gefragt, was typisch war an dieser unserer Zeit, was großartig und schön, was hässlich und furchtbar, und wie sich all das in Kunst und Kultur widerspiegelt.

Grund­le­gend ist die Beobach­tung eines tiefen Zwiespalts: Benzin und Kerosin, Plastik, Asphalt und Kunst­fa­sern standen im Erdölboom der 1950er- und 1960er-Jahre für die futuris­ti­schen Verspre­chen unbegrenzter Mobilität, indivi­du­eller Freiheit sowie unein­ge­schränkter Wandlungs­fä­hig­keit. Heute verbindet man mit ihnen globale Vertei­lungs­kämpfe und Müllberge, Klima­er­wär­mung, Meeres- und Luftverschmutzung.

Die Ausstel­lung fokus­siert all das aus einer fiktiven archäo­lo­gi­schen Ferne und sucht zugleich eine thema­ti­sche und emotio­nale Nähe: Jenseits festge­fah­rener Ideologie konfron­tiert sie künst­le­ri­sche Arbeiten mit Natur­wis­sen­schaft und Technik, Politik und Alltags­leben, mit Wissen, Praktiken und Apparaten aus Chemie, Bohrwesen und Geologie, aus Arbeits­alltag und Popkultur, aus Industrie und Kultur­theorie. Bekannte und weniger bekannte künst­le­ri­sche Werke sowohl aus dem Kanon der westli­chen Moderne als aus Ölregionen rund um den Globus werden im schwarzen Spiegel des Öls neu betrachtet und mit aktuellen künst­le­ri­schen Positionen in Beziehung gesetzt.

Der zeitliche Schwer­punkt der Ausstel­lung liegt auf den Jahrzehnten zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und heute. Die vorge­stellten kultur‑, technik- und erdge­schicht­li­chen Konstel­la­tionen reichen aber einer­seits über Mittel­alter und Antike bis in die Frühge­schichte der Kultur und des Lebens zurück und greifen anderer­seits Entwick­lungen vor, die hunderte oder sogar tausende Jahre in die Zukunft reichen können.

Derge­stalt zeigt die Ausstel­lung die weltweit erste Retro­spek­tive der weltum­span­nenden Erdölmoderne.

Teilneh­mende Künstler*innen (Auswahl):

Monira Al Qadiri, Ana Alenso, Yuri Ancarani, Qiu Anxiong, Atelier Van Lieshout, Kader Attia, Uwe Belz, Serge Attukwei Clottey, Klaus Auderer, Alessandro Balteo-Yazbeck & Media Farzin, Lothar Baumgarten, Jennifer-Jane Bayliss, Wes Bell, Claus Bergen, Bernardo Berto­lucci, Ursula Biemann, Vanessa Billy, Brett Bloom, Mark Boulos, Margaret Bourke-White, Bureau d’Études, Edward Burtynsky, Warren Cariou, Christo, Tony Cragg, Walter De Maria, Mark Dion, Gerardo Dottori, Sokari Douglas Camp, Rena Effendi, William Eggleston, Hans Fischer­koesen, Sylvie Fleury, John Gerrard, Christoph Girardet, Claus Goedicke, Tue Greenfort, Carl Grossberg, Monika Grzymala, Robert Gschwantner, Hans Haacke, Ernst Haeckel, Eberhard Havekost, Romuald Hazoumè, John Heart­field, Armin Herrmann, Michael Hirsch­bichler, Bernhard Hopfen­gärtner, Murad Ibragim­bekov, Aaditi Joshi, Peter  Keetman, Matt Kenyon, Tetsumi Kudo, Ernst Logar, Mark Lombardi, Ellen Karin Mæhlum, Rémy Marko­witsch, Ralf Marschalleck, Wolfgang Mattheuer, Paul Michaelis, Kay Michalak & Sven Völker, Richard Misrach, Michael Najjar, Hugo Niebeling, Franz Nolde, Kate Orff, George Osodi, Alex Prager, Alain Resnais,  Oliver Ressler, Martha Rosler, Miguel Rothschild, Ed Ruscha, Shirin Sabahi, Santiago Sierra, Taryn Simon, Andreas Slominski, Robert Smithson, Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger, Thomas Struth, The Center for Land Use Inter­pre­ta­tion, Wolfgang Tillmans, Gunhild Vatn, Wolf Vostell, Entang Wiharso, Erwin Wurm, Yuts.

Zur Ausstel­lung erscheint im Verlag der Buchhand­lung Walther und Franz König, Köln, eine umfang­reiche, trans­dis­zi­pli­näre Publi­ka­tion in deutscher und engli­scher Sprache, heraus­ge­geben von Andreas Beitin, Alexander Klose und Benjamin Steininger, gestaltet von Jan Kiess­wetter. Das Buch stellt ein umfas­sendes Kompen­dium der Kunst in der inter­na­tio­nalen Erdöl­mo­derne dar und behandelt auch Arbeiten, die in der Ausstel­lung nicht gezeigt werden können. Im Spiegel der Kunst­werke werden gesell­schaft­liche, ökono­mi­sche, politi­sche und kultu­relle Bedin­gungen in verschie­denen zeitli­chen Abschnitten und in verschie­denen regio­nalen Ausprä­gungen der Erdöl­mo­derne rund um den Globus sichtbar.

Eine Reihe inter­na­tional renom­mierter Autor*innen wird sich aus ihrer jewei­ligen Perspek­tive mit künst­le­ri­schen Positionen der Erdöl­mo­derne ausein­an­der­zu­setzen, darunter u.a.: Akintunde Akinleye (Lagos), Leila Alieva (Oxford), Jan von Brevern (Berlin), Heather Davis (New York), Elena Engelbrechter (Hannover), Christoph Engemann (Berlin), Timothy Furstnau (Windham/New York), Eckhart Gillen (Berlin), Rüdiger Graf (Berlin), Helmut Höge (Berlin), Isabel Piniella (Luzern), Karen Pinkus (New York), Christian Schwarke (Dresden) , Suwarno Wisetro­tomo (Yogyakarta/Java) und Susanne Witzgall (München).

 Mit großzü­giger Unter­stüt­zung der Stiftung Niedersachsen.

Kuratoren
Alexander Klose (Berlin), Benjamin Steininger (Berlin/Wien) und Andreas Beitin

Wissen­schaft­liche Mitarbeit
Elena Engelbrechter

Kurato­ri­sche Assistenz
Regine Epp

Hörspur
Eine eigens für die Ausstel­lung entstan­dene Audiospur eröffnet in Hörspiel­se­quenzen speku­la­tive Ausblicke auf verschie­dene Versionen von Zukünften mit und ohne Öl.

Curato­rial
Das digitale Curato­rial steht als Guide zur Vertie­fung von Ausstel­lungs­in­halten zur Verfügung. Mit ihm gibt es vielfäl­tige und tiefer­ge­hende Möglich­keiten, sich mit dem Ausstel­lungs­thema zu beschäftigen. 

Mit großzü­giger Förderung der
Medien­partner

Publikation

Presse

Echte Kunst und echtes Öl in einer Ausstel­lung zusam­men­zu­bringen – eine echte Heraus­for­de­rung. Aber das Kunst­mu­seum Wolfsburg will zeigen, dass es die moderne Welt und ihre Mobilität ohne Öl nicht geben würde. Es ist der Stoff, von dem wir alle abhängig wurden, der uns schneller, weiter, höher brachte. […] Die Ausstel­lung Oil in Wolfsburg bis Januar 2022 ist eine rasante, schreck­lich-schöne Zeitreise auf der Ölspur.

Peter Kunz, ZDF Heute Journal, 13.9.2021

Gerade in der Nachkriegs­zeit sprudeln mit dem schwarzen Gold futuris­ti­sche Verspre­chen von grenzen­loser Mobilität und indivi­du­eller Freiheit an die Oberfläche. Es läuft und läuft und läuft – bis es nicht mehr läuft, unzählige Kriege ums Öl geführt werden, die Zerstö­rung des Planeten unüber­sehbar wird. Heute stehen wir am Ende des Erdöl­zeit­al­ters – und so wirft ‚Oil‘ als ‚weltweit erste Retro­spek­tive der weltum­span­nenden Erdöl­mo­derne‘ den Blick zurück auf eine Welt, von der wir uns gerade zu verab­schieden beginnen.

Monopol online/dpa, 3.9.2021

Die Ausstel­lung zeigt 220 Gemälde, Skulp­turen, Instal­la­tionen, Videos und Fotogra­fien aus allen Teilen der Welt. Öl wird als Rohstoff für Verkehrs­mittel präsen­tiert, in verschie­denen politi­schen Systemen, als Kunst­dünger oder Antriebs­stoff einer Rakete – und als Schrecken im Einsatz als Tötungs­mittel. Dabei begibt sich die Schau auch in eine hypothe­ti­sche Zukunft, die einen Blick zurück wirft ins Heute.

Torsten Landsberg, Deutsche Welle online, 4.9.2021

Dem ‚schwarzen Gold‘ verdanken wir Fortschritt und Mobilität. Flugzeuge und Autobahnen, aber auch Nylon­strümpfe oder Vinyl wären ohne Erdöl wohl nicht entwi­ckelt worden. Doch inzwi­schen wissen wir auch, wie teuer uns all das zu stehen kommt: Das ‚Ölzeit­alter‘ nähert sich dem Ende, der Plastik­müll bleibt, der Klima­wandel verändert die Erde. Eine Ausstel­lung im Kunst­mu­seum Wolfsburg beschäf­tigt sich nun mit ‚Schönheit und Schrecken des Erdöl­zeit­al­ters‘ und liefert einen ungewöhn­li­chen Blick auf rund 100 Jahre Erdöl­ge­schichte. Kunst trifft dabei auf Technik, Politik und Alltags­leben.

NDR.de, Kultur­journal, 6.9.2021

[…] Eine Errun­gen­schaft, deren Ambiva­lenz immer schmerz­li­cher spürbar wird: Was einer­seits das Le­ben so viel einfacher macht, ist anderer­seits Anlass für Krieg, Ausbeu­tung und Um­weltzerstörung. Im Spiegel der Kunst auf die dämmernde „Petro­mo­derne“ zu­rückzublicken hat brisantes Potential.

Katinka Fischer, Frank­furter Allge­meine Zeitung, 8.9.2021

Erdöl hat unser Gefühl für Kraft, Geschwin­dig­keit, Entfer­nung und Reichtum geprägt und es hat unsere Wünsche geformt. Der Rundgang in Wolfsburg macht deutlich: Energie­sparen bedeutet den Abschied von Allmachts­fan­ta­sien. Andern­falls aller­dings ist dem Menschen das Schicksal des Ichth­y­o­saurus beschieden.

Simone Reber, Deutsch­land­funk Kultur, Sendung Fazit, 3.9.2021

Auf einer Zeitachse führt uns die sehens­werte Ausstel­lung erst unter die Erde, dann am Ende bis in den Weltraum, den zu erobern der Mensch ohne die Schub­kraft des Öls kaum in der Lage gewesen wäre. Dazwi­schen unter­nehmen es etwa 220 Exponate aus Kunst, Kultur, Wissen­schaft und Technik, eine Bilanz zu ziehen und die Vor- und Nachteile des Erdöl­zeit­al­ters darzu­stellen.

Michael Stoeber, Hanno­ver­sche Allgemein Zeitung, 4.9.2021