Oskar Kokoschka
Humanist und Rebell
Infos
Das Kunstmuseum Wolfsburg wird 20 Jahre alt. Diesem Jubiläum ist die Ausstellung „Oskar Kokoschka. Humanist und Rebell” gewidmet, in der vornehmlich das Porträtwerk dieses herausragenden Künstlers der Moderne vorgestellt wird. Damit entsteht zugleich eine Brücke zur Eröffnung des Hauses im Jahr 1994, als die Überblicksschau zum Werk des französischen Künstlers Fernand Léger den Anfang der Erfolgsgeschichte Kunstmuseum Wolfsburg bildete. Künstler der Klassischen Moderne standen bereits im noch jungen Wolfsburg im Fokus: Heinrich Nordhoff, der frühere Vorstandsvorsitzende von Volkswagen, initiierte in den Jahren 1952 bis 1967 viel beachtete Ausstellungen zu Franz Marc, Lovis Corinth oder Vincent van Gogh.
In den Porträts Oskar Kokoschkas (1886–1980) begegnen wir einem der hervorragenden Künstler der Moderne im 20. Jahrhundert. Kokoschkas Werk, aber auch sein Leben waren geprägt vom Aufbruch der Avantgarde in den sozialen und politischen Wirren seiner Zeit. Der rote Faden dieser Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg ist die Person Kokoschka selbst: die Personen, die er kannte, sein Blick auf den Menschen und die Gesellschaft. In seinen Porträts zeigt sich Kokoschka über seine künstlerische Größe hinaus als wahrer Humanist und Rebell. Mit seiner expressiven Malerei und Dramatik der Pinselführung wurde er unverwechselbar und zudem stilbildend für die sogenannten “Neuen Wilden” der 1980er-Jahre.
Das Kunstmuseum widmet diese besondere Ausstellung „Oskar Kokoschka. Humanist und Rebell” seinem 20-jährigen Jubiläum und knüpft mit ihr an seine Eröffnung im Jahr 1994 an − damals mit Werken von Fernand Léger − und erinnert zugleich an große Kunstereignisse, die bis in die frühe Nachkriegszeit der jungen Stadt Wolfsburg zurückreichen. Der frühere Vorstandvorsitzende von Volkswagen, Heinrich Nordhoff, hatte in den Jahren 1952 bis 1967 viel beachtete Ausstellungen zu Franz Marc, Lovis Corinth und Vincent van Gogh, aber auch zu Themen wie Deutsche Malerei, Japanische Holzschnitte und Französische Malerei initiiert.
Als der junge Oskar Kokoschka in Wien die Bühne der Kunst betrat, traf er mit seinen von leidenschaftlicher Unruhe geprägten Werken auf das Milieu der Wiener Moderne. 1910 ging er nach Berlin, engagierte sich mit seinen Grafiken für Herwarth Waldens Zeitschrift „Der Sturm”, stellte zusammen mit den Künstlern der Berliner Secession aus und provozierte mit seinen Bühnenstücken. Oskar Kokoschka avancierte als Maler, Grafiker und Schriftsteller nicht nur zu einem der prominentesten Vertreter der Wiener Moderne, sondern entwickelte sich zu einem der eigenwilligsten Verfechter des Expressionismus.
Die Ausstellung „Oskar Kokoschka. Humanist und Rebell” orientiert sich an der Entwicklung dieses ungewöhnlichen Œuvres. Ausgangspunkt der Ausstellung, die 55 Gemälde und 138 Arbeiten auf Papier umfasst, ist Kokoschkas Zeit an der Kunstgewerbeschule in Wien (1905−1908), sein Wirken für die Wiener Werkstätte und die Werke für die Kunstschau 1908, die bis heute als bahnbrechendes Ereignis der Wiener Moderne gilt. Durch Wien wehte der Geist des Aufbruchs und der Avantgarde, beeinflusst durch Persönlichkeiten wie Gustav Klimt, Sigmund Freud, Gustav Mahler und Arthur Schnitzler. 1909 erregte der vielseitig begabte Kokoschka mit seinem Bühnenstück „Mörder, Hoffnung der Frauen” einen Skandal. Aus Protest gegen die heftige Kritik ließ er sich den Kopf kahl scheren. Es folgten Kokoschkas frühe Bildnisse, die in Wien meist durch die Vermittlung von Adolf Loos’ zwischen 1909 und 1914 entstanden sind, darunter von Freunden wie dem Publizisten und Satiriker Karl Kraus und dem Schauspieler Karl Etlinger. In seinen expressiven, am Menschen und seiner Umgebung orientierten Bildfindungen dieser Jahre lehnte er sich gegen den vorherrschenden Historismus und den vom Ornament geprägten Jugendstil auf. Die Berliner Jahre 1910−1916, in denen er immer wieder Reisen nach Wien unternahm, waren durch die Zusammenarbeit mit Herwarth Walden und seiner Zeitschrift „Der Sturm” geprägt. Als Kokoschka 1910 nach Berlin ging, lernte er Franz Marc kennen und traf sich mit Schriftstellern wie Else Lasker-Schüler, Rudolf Blümner, Peter Baum, Richard Dehmel und Alfred Kerr, deren Bildnisse sich in der Ausstellung wiederfinden. Seine turbulente Beziehung zu Alma Mahler, der Witwe des Komponisten Gustav Mahler, in den Jahren 1912−1914 inspirierte ihn zu zahlreichen Gemälden, Drucken und Zeichnungen sowie zu ersten Arbeiten zum Thema Musik. Als Alma Mahler jedoch das gemeinsame Kind abtreiben ließ und sich die beiden daraufhin trennten, stürzte dies Kokoschka in eine tiefe Krise, und er meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst.
Nach schwerer Verwundung und Genesung nahm er von 1916 bis 1923 eine Professur in Dresden an. In dieser Zeit (er-)fand sich Kokoschka künstlerisch und persönlich neu. Um über die Trennung hinwegzukommen, ließ er sich 1918 eine lebensgroße Puppe nach dem Vorbild Alma Mahlers anfertigen. Dieses kuriose Objekt diente ihm als Motiv für eine Reihe von Bildnissen. Die größte Veränderung nach der erzwungenen Malpause in den Kriegsjahren betraf den Übergang von einerMalerei, die vornehmlich auf der Zeichnung basierte und in der oft noch die Linie dominierte, hin zu einer Malweise, in der die Form von der Farbe ausgehend aufgebaut wurde.
Kokoschka verließ Dresden 1923, um durch Europa und Nordafrika zu reisen. Nach diesen ausgedehnten Reisen, auf denen er zahlreiche Tierbildnisse malte, kehrte er 1931 nach Wien zurück, pendelte aber zwischen Paris und Wien, bis er 1934 Österreich wegen der politischen Umstände verließ und nach Prag flüchtete, wo er seine spätere Frau Olda kennenlernte. Hier und in den Jahren des Exils in London entstanden die meisten der allegorischen Frauenbildnisse sowie zahlreiche politische Arbeiten. Über 400 Werke Kokoschkas wurden in deutschen Museen von den Nationalsozialisten konfisziert und teilweise zerstört. Kokoschka, dessen Werke in der Münchner Ausstellung “Entartete Kunst” angeprangert waren, wurde selbst als »Kunstfeind Nr. 1« diffamiert. 1953 übersiedelte Kokoschka mit seiner Frau Olda, die er 1941 in London geheiratet hatte, nach Villeneuve in die Schweiz.
Die Ausstellung endet mit dem Blick des Künstlers auf sich selbst, der Gruppe der Selbstbildnisse, die zwischen 1906 und 1972 entstanden sind: »Und wenn ich Selbstporträts gemacht habe (…), dann nur um nachzuprüfen: Was ist eigentlich der Mensch? Der Mensch ist nicht bloß die Oberfläche, nicht das, was man fotografieren kann.«
Die Ausstellung wird von der Volkswagen Financial Services AG unterstützt.
Der Katalog zur Ausstellung ist zum Preis von 38 Euro erhältlich und auch im Onlineshop zu bestellen.