Peter Hujar
Eine Anmut von Leben und Tod. Fotografien von 1963-1985
Infos
Peter Hujar wurde 1934 in New Jersey als Sohn ukrainischer Einwanderer geboren. Im Alter von 12 Jahren zog er mit seiner Mutter nach Manhatten und war nach seinem Diplom an der High School of Art and Design Assistent bei Richard Avedon. Bis Anfang der siebziger Jahre arbeitete er als kommerzieller Fotograf für Werbebürors und Modemagazine (Harper’s Bazaar).
Dann zog er sich aus der Welt der Werbebilder zurück. Sein Interesse galt nicht den konstruierten Wirklichkeiten, die das Natürliche mit gestalterischen Tricks zur Künstlichkeit überhöhten, sondern der Unverfälschtheit seiner Motive. Er schwamm damit gegen den Strom einer künstlerischen Bewegung, die in den siebziger Jahren versuchte, konventionelle Seh- und Wahrnehmungsweisen durch experimentelle Ausdrucksformen zu verändern und die dabei die angestammten Materialien, Räume, Größen und Grenzen verließ. Die Fotografie jener Zeit ersetzte das Einzelbild durch Bildsequenzen, operierte mit Verzerrungen, Unschärfen, Farbverschiebungen und unterschiedlichen Bildträgern. Vor allem aber wurde sie großflächig. Hujar war ein künstlerischer Außenseiter, der sich dem Zeitgeist verweigerte.
Seine meist quadratischen Schwarzweißabzüge, der einfache, klare, strenge Bildaufbau, häufig im kargen Studio mit sparsamer Requisite, waren ein deutlicher Kontrapunkt. Die Atmosphäre seiner Arbeiten wirkt klassisch. Sie erinnert formal an die existentialistische Fotografie der fünfziger Jahre, unterscheidet sich jedoch grundlegend durch ihre Thematik: die persönliche Welt Hujars, die Welt der Homosexuellen und Transvestiten.
Entgegen der systematischen Suche und Darstellung und den strukturalistisch angelegten Recherchen der siebziger Jahre interessierte sich Peter Hujar immer nur für das vor ihm Stehende, Sitzende, Liegende, Wachsende, Springende: der Mensch, das Pferd, der Schuh, das Wasser. Hujar hat nie Posen inszeniert, immer hat er nur das fotografiert, was seine Modelle bereit waren, ihm zu ziegen und wie sie es zeigen wollten. Seine Bilder wirken immer sehr intim, nie voyeuristisch. Programmatisch gab er seinem ersten Fotobuch von 1976 den Titel: “Portraits in Life and Death”, das Aufnahmen seiner sterbenden Kunstfreunde aus der New Yorker Szene mit Bildern von den verwesten Toten aus den Katakomben in Palermo zusammen zeigt. Er versuchte, die Verletzlichkeit der Menschen zu beschreiben, kein Heldentum. Von gleichem Gewicht war für ihn die Darstellung von Sexualität und Nacktheit, so wie jeder von uns sie kennt – alltäglich, nie fremd und ohne erotische Klischees. Er appellierte nicht an geheime Phantasien wie Helmut Newton und wollte auch keine ästhetische Position der Nacktheit beschreiben wie Robert Mapplethorpe, auch nicht bei seinen Aufnahmen erigierter Penisse. Diese Haltung, seine Verweigerung gegenüber dem sogenannten ‘Kunstbetrieb’ und sein öffentliches Eintreten für Homosexualität sind wohl ein Grund dafür, warum Hujar bisher nur wenig bekannt ist. Erst heute, nachdem die Zeit der Erfindungen und Experimente mit dem Medium abgeschlossen scheinen und vor allem als Gegenposition einer uns erdrückenden Bilderflut, lernen wir die Stille und Andacht seiner Bilder schätzen.
Nach einer ersten europäischen Ausstellung, 1981 von Jean-Christophe Ammann für das Kunstmuseum Basel mit Peter Hujar zusammengestellt, ist die in Wolfsburg gezeigte Ausstellung mit fast 150 Arbeiten die erste retrospektive Präsentation der Fotoarbeiten in Deutschland. Sie war zuvor im Stedelijk Museum Amsterdam und im Fotomuseum Winterthur zu sehen.