Präsentation Stephan Balkenhol
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Stephan Balkenhol (geb. 1957 in Fritzlar/Hessen) arbeitet seit nunmehr fast 20 Jahren als Bildhauer im klassischen Sinne. Mit Klöpfel und Beitel, Säge und Messer schafft er Skulpturen und Reliefs, vorwiegend aus Holz. Balkenhols Thema ist vor allem die menschliche Figur. Seine Frauen und Männer haben jedoch nichts gemein mit der traditionellen Ästhetik der Bildschnitzerei. Ihm geht es auch nicht um eine Auseinandersetzung mit dieser Tradition, wie sie bei neueren Tendenzen der Objektkunst, beispielsweise bei Jeff Koons, festzustellen ist. Koons’ „Bear and Policeman“ (1988; Sammlung Kunstmuseum Wolfsburg) lotet mit seinen glatten Oberflächen ironisch die Grenze zwischen Skulptur und Kitsch aus. Balkenhols Arbeiten hingegen verleugnen den handwerklichen Entstehungsprozess keineswegs, Splitterungen und Furchen im Holz treten offen zutage. Oft bleibt der rohe, unbehauene Holzblock einer Skulptur als Sockel erhalten. Die ausgewogene und taktile Auffassung von Material und Prozess verbindet Balkenhol mit dem minimalistisch arbeitenden Ulrich Rückriem, seinem Lehrer an der Hamburger Kunsthochschule.
Balkenhol fertigt seine Figuren nach Zeichnungen oder aus dem Gedächtnis an. Die Frauen und Männer, die er aus dem Holz hervorholt, besitzen jedoch keine Identität. Es sind keine Porträts. Gemessen am menschlichen Maßstab sind die Skulpturen immer größer oder kleiner, doch unabhängig von ihrer tatsächlichen Größe wirken sie stets human. Seine „Baum-Menschen“ sind mittleren Alters, ihre Kleidung ist schlicht, fast neutral. Die wenigen Farbakzente von Augen, Lippen und Haaren verleihen den unbehandelten Flächen den scheinbar natürlichen Ton der Hautfarbe. Obwohl die Kleidung als Ausdruck einer Sozialisation zu verstehen ist, bleiben die Herkunft, die soziale Stellung oder auch der Beruf der Frauen und Männer unbestimmbar.
Balkenhol verzichtet auf Pose und Pathos und verleiht seinen Figuren nur sparsam Gesten oder emotionalen Ausdruck. So wird die Aufmerksamkeit auf die feinen Variationen von Skulptur zu Skulptur oder innerhalb einer Gruppe gelenkt. Es sind diese Variationen, die Balkenhols Figuren einer Typisierung entheben. So besetzen sie den Raum zwischen genauem Abbild und allgemeinem Typ.
Die Skulpturen scheinen befreit vom Zwang der Repräsentation. Sie sind nicht Träger einer Ideologie. So wie sie keine bestimmte Person darstellen, illustrieren sie auch keine bestimmte Geschichte. Die Frage: Was zeigt die Figur? kehrt sich um in: Wie wird die Figur gesehen? Jede Arbeit bietet daher einen Assoziationsrahmen, den der Betrachter mit seinen eigenen Geschichten füllen kann. Für den Künstler soll „die Figur über sich hinauswachsen, über sich und andere Dinge erzählen, ohne sich zu verrenken und Grimassen zu schneiden. (…) So wie die Figur auch nicht nur ein Stück Holz ist, (…) sondern eben als Bild lebendig und transparent.“
Hin und wieder gibt Balkenhol seinen Skulpturen Symbole oder Attribute bei, er schafft Engel und Teufel oder eben „Paar auf Weltkugeln“, 1993. Die beiden Teile der Arbeit „Paar auf Weltkugeln“ werden so präsentiert, dass der Betrachter immer nur eine Skulptur sehen kann, schließlich gibt es nur eine Welt. Das Attribut gibt dabei lediglich den Auftakt zu einer möglichen Interpretation, es existiert keine festgeschriebene Bedeutung. Der Betrachter kann vielmehr sich selbst zu Welt und Mensch in Beziehung setzen.
Seit 1990 tauchen auch Tiere in Balkenhols Arbeiten auf, häufig kombiniert mit kleinen menschlichen Figuren. Es ist das Prinzip der natürlichen Koexistenz zwischen Mensch und Tier, das diesen Skulpturen zugrunde liegt. Auf versöhnliche Weise lassen sich kindliche Erinnerungen und Emotionen assoziieren. Der humorvolle Aspekt von Balkenhols Arbeiten tritt hier vielleicht am deutlichsten zutage.
Das Kunstmuseum Wolfsburg begleitet mit dieser Präsentation ein Projekt der Bonhoeffer-Kirchengemeinde im Wolfsburger Stadtteil Westhagen. Die nach Dietrich Bonhoeffer (1906–1945), einem führenden Theologen der Bekennenden Kirche und damit des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten benannte Kirche ist einer der jüngsten modernen Kirchenbauten Norddeutschlands. Er wurde nach den Plänen des Wolfsburger Architekten Wilhelm Wacker errichtet und 1995 eingeweiht.
Für die Gestaltung des Innenraumes ist ein künstlerischer Wettbewerb ausgeschrieben worden, der von der in Hannover ansässigen Hanns-Lilje Stiftung gefördert wurde.
Diese Stiftung setzt sich für einen Dialog zwischen der zeitgenössischen Kunst und der Kirche ein. Unter Vorsitz von Gijs van Tuyl hat die Jury dieses Wettbewerbes einen Entwurf von Stephan Balkenhol prämiert. Balkenhol hat erstmalig sakrale Gegenstände wie Altar, Taufbecken, Ambo und ein Kreuz geschaffen und auf der 12 m hohen, halbrunden Altarwand sieben Relieffiguren aus Pappelholz vereint, die Frauen und Männer mit verschiedenen Haltungen und Gesten darstellen. Diese Personengruppe verleiht der Wand eine imaginäre Plastizität. Es scheint, als würde die Altarwand aufgebrochen und in die Höhe und Weite ausgedehnt.
Die Figuren bieten für die Kirchenbesucher ein Gegenüber, in dem sie eigene und fremde Wirklichkeit erkennen können. Balkenhols Kunst ist offen für die Empfindungen und Gedanken der Menschen und zugleich lässt sich sein Werk als Versuch verstehen, auf andere Wahrheiten hinzuweisen.
Bestimmend für das Leben und das theologische Werk Dietrich Bonhoeffers war die Einsicht, dass die Kirche sich mit dem auseinandersetzen muss, was für den Menschen in seiner Zeit wichtig ist. Hierauf nimmt die Kunst Stephan Balkenhols Bezug.