René Daniëls
The Most Contemporary Picture Show
Infos
Die Ausstellung ist die erste umfassende Retrospektive des niederländischen Malers René Daniëls in Deutschland. Sie zeigt 50 Gemälde und etwa 200 Zeichnungen des 1950 geborenen Künstlers. Das Kunstmuseum Wolfsburg hat sich seit seiner Eröffnung im Jahr 1994 für das Werk des Künstlers engagiert. In der Ausstellung Tuning Up #1, Auftakt zu einer Sammlung, war er mit mehreren Bildern prominent vertreten, und zwei seiner Gemälde haben seitdem ihren Platz in der Sammlung des Kunstmuseums Wolfsburg.
Daniëls gehört jener Generation an, die in den Achtzigerjahren die Bühne der Kunstwelt betrat. Nach den Jahren der Concept und Minimal Art machten diese Künstler mit einer eher emotional und persönlich gefärbten Malerei auf sich aufmerksam. Anders jedoch als die ‚Jungen Wilden‘ in Deutschland oder die Maler der ‚Transavanguardia‘ in Italien verband Daniëls in seiner Malerei Elemente von Jugendkultur und Punk mit Bildpoesie und intellektuellem Sprachwitz.
Das Spiel mit Sprache zieht sich durch Daniëls’ gesamtes Œuvre. In dieser Hinsicht steht er Künstlern wie René Magritte oder Francis Picabia, Marcel Broodthaers und Marcel Duchamp nahe. Gleichzeitig sind seine Art zu Malen und seine Verwendung der Farbe sehr direkt und sinnlich. Die Mischung von Poesie und Spott lässt zudem auch an seine deutschen Kollegen Walter Dahn oder Martin Kippenberger denken.
Daniëls war als der bekannteste niederländische Maler seiner Generation Teilnehmer von Großausstellungen wie „Westkunst“ (1981) in Köln und „Zeitgeist“ (1982) in Berlin. Vorschnell hat ihn die Kritik der jungen heftigen Malerei zugeordnet. Spätestens seit seiner letzten großen Einzelausstellung in Bern 1987 und seiner kleinen Werkschau innerhalb der Ausstellung „Der zerbrochene Spiegel“, 1993, wurde jedoch deutlich, dass sein Werk vielschichtiger und widersprüchlicher ist.
René Daniëls selbst war sich durchaus bewusst, dass seine Wurzeln anderswo lagen und dass das humorvolle, spielerische Element seiner Bilder wenig mit der ‚Deutschen Angst‘, wie er die Neoexpressionistische Malerei einmal kritisch bezeichnete, zu tun hatte. Allerdings distanzierte er sich genauso von der Tradition der niederländischen Moderne eines Piet Mondrian, die ihm als zu rational und abgehoben galt. Vielmehr verband er bereits in den späten Siebzigerjahren abstrakte, serielle Strukturen mit alltäglichen Gegenstandszitaten: Schallplatte, Bücherregal, Skateboard. Während er zum Star der nationalen Kunstszene avancierte, machte er sich in Bildern, wie „Academie“, 1982, und „Palais des Boosards“ (eine niederländische Lautmalerei für das französische Beaux Arts und zugleich ‚bösartig‘ bedeutend) aus dem Jahr 1983 über den Kunstbetrieb lustig.
Der Titel der Ausstellung „The Most Contemporary Picture Show“ nimmt auf ein Bild gleichen Titels Bezug, mit welchem sich der Künstler ebenfalls kritisch mit der gängigen Ausstellungspraxis auseinandersetzt. Ähnlich prononciert äußert Daniëls seine Kritik auf einer Zeichnung mit dem Titel „Der Zeitgeist der westlichen Kunst auf dem Weg zur Documenta“, 1982, auf welcher man eine Gruppe von Ratten auf Skateboards dahinsausen sieht.
1983 verließ Daniëls die Niederlande für ein Jahr und ging als Stipendiat nach New York. Hier empfing er für die Weiterentwicklung seiner Malerei entscheidende Anregungen.
Das Schlüsselbild für diese Zeit ist „Die Schlacht um das zwanzigste Jahrhundert“ von 1984. Zum ersten Mal taucht in diesem Gemälde über dem Motiv einer aufgewühlten See jenes zentralperspektivische Raumschema auf, das Daniëls fortan als Kürzel für einen Ausstellungsraum unendlich variieren wird: eine Kulisse, mit leeren Bildern bestückt. Später verselbstständigt sich diese Klappbühne und wird bildfüllend oder zum mehrdeutigen Zeichen, das als Megaphon, als Krawatte, Schmetterling über die Bildflächen schwirrt. Die beiden Gemälde der Sammlung des Kunstmuseums Wolfsburg, das figürliche „Alzumeazume“ von 1984 und das abstrakte „Painting on the Bullfight“ von 1985 sind im Anschluss an den New-York-Aufenthalt entstanden und veranschaulichen die verschiedenen Lösungen, die Daniëls für sein Hauptthema dieser Jahre gefunden hatte. Gerade diese Werkphase erscheint uns heute besonders interessant, da er sich in seinen gemalten Räumen mit Wahrnehmung und Präsentation von Bildern auseinandersetzt.
1987 erlitt Daniëls einen Schlaganfall und kann seitdem nicht mehr malen. In einer seiner letzten Serien, „Frühlingsblüten“, 1987, spielt René Daniëls mit dem Stammbaum seiner Bilder, der zugleich einen imaginären Ausstellungsplan darstellt und antizipiert damit gleichsam eine retrospektive Schau seiner Bilder.
Katalog
René Daniëls
(Ausgaben in Deutsch, Englisch und Niederländisch)
Texte von Paul Andriesse, Jaap Bremer, Bert Jansen, Ulrich Loock, Annelie Lütgens, Philip Peters und Dirk van Weelden
24 x 30 cm, 187 S., 129 s/w und 72 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfildern 1998
ISBN 3–89322-425–4 (deutsche Ausgabe)