René Daniëls

The Most Contemporary Picture Show

12. 9. 1998 — 3. 1. 1999

Infos

Die Ausstel­lung ist die erste umfas­sende Retro­spek­tive des nieder­län­di­schen Malers René Daniëls in Deutsch­land. Sie zeigt 50 Gemälde und etwa 200 Zeich­nungen des 1950 geborenen Künstlers. Das Kunst­mu­seum Wolfsburg hat sich seit seiner Eröffnung im Jahr 1994 für das Werk des Künstlers engagiert. In der Ausstel­lung Tuning Up #1, Auftakt zu einer Sammlung, war er mit mehreren Bildern prominent vertreten, und zwei seiner Gemälde haben seitdem ihren Platz in der Sammlung des Kunst­mu­seums Wolfsburg.

Daniëls gehört jener Genera­tion an, die in den Achtzi­ger­jahren die Bühne der Kunstwelt betrat. Nach den Jahren der Concept und Minimal Art machten diese Künstler mit einer eher emotional und persön­lich gefärbten Malerei auf sich aufmerksam. Anders jedoch als die ‚Jungen Wilden‘ in Deutsch­land oder die Maler der ‚Transa­van­guardia‘ in Italien verband Daniëls in seiner Malerei Elemente von Jugend­kultur und Punk mit Bildpoesie und intel­lek­tu­ellem Sprachwitz.

Das Spiel mit Sprache zieht sich durch Daniëls’ gesamtes Œuvre. In dieser Hinsicht steht er Künstlern wie René Magritte oder Francis Picabia, Marcel Broodthaers und Marcel Duchamp nahe. Gleich­zeitig sind seine Art zu Malen und seine Verwen­dung der Farbe sehr direkt und sinnlich. Die Mischung von Poesie und Spott lässt zudem auch an seine deutschen Kollegen Walter Dahn oder Martin Kippen­berger denken.

Daniëls war als der bekann­teste nieder­län­di­sche Maler seiner Genera­tion Teilnehmer von Großaus­stel­lungen wie „Westkunst“ (1981) in Köln und „Zeitgeist“ (1982) in Berlin. Vorschnell hat ihn die Kritik der jungen heftigen Malerei zugeordnet. Spätes­tens seit seiner letzten großen Einzel­aus­stel­lung in Bern 1987 und seiner kleinen Werkschau innerhalb der Ausstel­lung „Der zerbro­chene Spiegel“, 1993, wurde jedoch deutlich, dass sein Werk vielschich­tiger und wider­sprüch­li­cher ist.

René Daniëls selbst war sich durchaus bewusst, dass seine Wurzeln anderswo lagen und dass das humor­volle, spiele­ri­sche Element seiner Bilder wenig mit der ‚Deutschen Angst‘, wie er die Neoex­pres­sio­nis­ti­sche Malerei einmal kritisch bezeich­nete, zu tun hatte. Aller­dings distan­zierte er sich genauso von der Tradition der nieder­län­di­schen Moderne eines Piet Mondrian, die ihm als zu rational und abgehoben galt. Vielmehr verband er bereits in den späten Siebzi­ger­jahren abstrakte, serielle Struk­turen mit alltäg­li­chen Gegen­stands­zi­taten: Schall­platte, Bücher­regal, Skate­board. Während er zum Star der natio­nalen Kunst­szene avancierte, machte er sich in Bildern, wie „Academie“, 1982, und „Palais des Boosards“ (eine nieder­län­di­sche Lautma­lerei für das franzö­si­sche Beaux Arts und zugleich ‚bösartig‘ bedeutend) aus dem Jahr 1983 über den Kunst­be­trieb lustig.

Der Titel der Ausstel­lung „The Most Contem­porary Picture Show“ nimmt auf ein Bild gleichen Titels Bezug, mit welchem sich der Künstler ebenfalls kritisch mit der gängigen Ausstel­lungs­praxis ausein­an­der­setzt. Ähnlich pronon­ciert äußert Daniëls seine Kritik auf einer Zeichnung mit dem Titel „Der Zeitgeist der westli­chen Kunst auf dem Weg zur Documenta“, 1982, auf welcher man eine Gruppe von Ratten auf Skate­boards dahin­sausen sieht.

1983 verließ Daniëls die Nieder­lande für ein Jahr und ging als Stipen­diat nach New York. Hier empfing er für die Weiter­ent­wick­lung seiner Malerei entschei­dende Anregungen.

Das Schlüs­sel­bild für diese Zeit ist „Die Schlacht um das zwanzigste Jahrhun­dert“ von 1984. Zum ersten Mal taucht in diesem Gemälde über dem Motiv einer aufge­wühlten See jenes zentral­per­spek­ti­vi­sche Raumschema auf, das Daniëls fortan als Kürzel für einen Ausstel­lungs­raum unendlich variieren wird: eine Kulisse, mit leeren Bildern bestückt. Später verselbst­stän­digt sich diese Klapp­bühne und wird bildfül­lend oder zum mehrdeu­tigen Zeichen, das als Megaphon, als Krawatte, Schmet­ter­ling über die Bildflä­chen schwirrt. Die beiden Gemälde der Sammlung des Kunst­mu­seums Wolfsburg, das figür­liche „Alzumea­zume“ von 1984 und das abstrakte „Painting on the Bullfight“ von 1985 sind im Anschluss an den New-York-Aufent­halt entstanden und veran­schau­li­chen die verschie­denen Lösungen, die Daniëls für sein Haupt­thema dieser Jahre gefunden hatte. Gerade diese Werkphase erscheint uns heute besonders inter­es­sant, da er sich in seinen gemalten Räumen mit Wahrneh­mung und Präsen­ta­tion von Bildern auseinandersetzt.

1987 erlitt Daniëls einen Schlag­an­fall und kann seitdem nicht mehr malen. In einer seiner letzten Serien, „Frühlings­blüten“, 1987, spielt René Daniëls mit dem Stammbaum seiner Bilder, der zugleich einen imagi­nären Ausstel­lungs­plan darstellt und antizi­piert damit gleichsam eine retro­spek­tive Schau seiner Bilder.

Katalog
René Daniëls
(Ausgaben in Deutsch, Englisch und Nieder­län­disch)
Texte von Paul Andriesse, Jaap Bremer, Bert Jansen, Ulrich Loock, Annelie Lütgens, Philip Peters und Dirk van Weelden
24 x 30 cm, 187 S., 129 s/w und 72 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfil­dern 1998
ISBN 3–89322-425–4 (deutsche Ausgabe)