Robin Rhode
Memory Is The Weapon
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Ob es sich um seine fotografischen Arbeiten, die digitalen Animationen, Performances, Wand- oder Papierarbeiten handelt, der Kern des multimedialen Werks von Robin Rhode ist die Zeichnung, die Linie. Geboren 1976 in Kapstadt, aufgewachsen in Johannesburg, studierte er zunächst Kunst am Technikon Witwatersrand, heute University of Johannesburg, gefolgt von einem Postgraduierten-Programm an der South Africa School of Film, Television and Dramatic Arts im Jahr 2000.
Der Einfluss urbaner Musikkultur, Film, populäre Sportarten, Jugendkultur und die lokale Tradition des Geschichtenerzählens haben die Entwicklung der für Robin Rhode zunächst typischen Street-Art-Ästhetik beeinflusst. Sein Markenzeichen ist die Wand, die in einem sozialen Brennpunktviertel in Johannesburg steht. Im Gegensatz zur Street-Art und Graffitikunst geht es ihm jedoch nicht darum, was er im urbanen Kontext zurücklässt, sondern um den Prozess. Schritt für Schritt dokumentiert er fotografisch die Entwicklung von Narrativen auf seiner steinernen Leinwand, die wiederum ihre eigene Historie in sich birgt. Die Summe der Fotografien formt die Erzählung. Zeichnet er anfänglich einfache Sportgeräte mit Kreide auf den Boden oder die Wand, werden seine Entwürfe und Themen kontinuierlich komplexer – ein inhaltlicher Spagat zwischen südafrikanischer Geschichte, Kultur, Mentalität, Zeichen und Codes und der abstrakten Sprache europäischer Kunstgeschichte. Dabei erfolgt die Aktivierung der Zeichnung durch die Verbindung mit dem Körper: Kinder turnen auf Sportgeräten, ein Pianist zerstört ein Klavier, ein gelenkiger Tänzer schneidet mit einer riesigen Heckenschere Farbdreiecke auf die Wand als seien es Scherenschnitte im Geiste von Matisse.
Seit 2002 lebt Robin Rhode in Berlin. Im Gegensatz zu den farbgewaltigen Wandarbeiten, die nach wie vor in Südafrika entstehen, erkundet er in Deutschland schwarz-weiße Zugänge zur Zeichnung. Hier zeichnet er nicht nur mit Seife, Kohle, Kreide und Farbe, sondern Alltagsgegenstände selbst. Stühle, Fahrräder oder Betten werden zum performativen Zeicheninstrument – eine Instrumentalisierung des Ready-Mades. Die expressiven Zeichnungen, die aus seinen energiegeladenen Performances resultieren, stehen im Gegensatz zum perfektionierten Illusionismus und der intendierten Leichtigkeit seiner aufwändigen Wandarbeiten. Robin Rhode reduziert komplexe, bisweilen auch gesellschaftskritische oder ‑analytische Inhalte auf wenige visuelle Zeichen oder, wie er es ausdrückt, er vereinfacht das Chaos mit den Mitteln der Kunst.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg ist nach der Ausstellung im Haus der Kunst in München 2007 die erste Einzelausstellung nach 12 Jahren in Deutschland. Auf mehr als 800 Quadratmetern bietet sie mit digitalen Animationen, fotografischen Serien, Zeichnungen und skulpturalen Elementen sowie Performances einen breiten Überblick über das Werk von Robin Rhode, einschließlich neuer Werkgruppen, an denen er derzeit arbeitet. Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog in deutscher und englischer Sprache enstanden, der ein Vorwort von Andreas Beitin, ein langes Interview mit Robin Rhode und eine Einführung von Uta Ruhkamp enthält.
Kuratorin
Uta Ruhkamp
Kuratorische Assistenz
Elena Engelbrechter
Publikation
Magazin
Presse
Das Kunstmuseum der Autostadt gleicht die Berliner Ignoranz aus, lässt entdecken, was Galeristen, Kuratoren und Museumsleute in der Hauptstadt eigentlich schon seit 17 Jahren hätten sehen können.
Ingeborg Ruthe, Berliner Zeitung, 8.10.2019
Die Fotoserien entlehnen ihren Witz dem Slapstick, aber dahinter lauert die grausame Vergangenheit Südafrikas.
Simone Reber, Deutschlandfunk Kultur, Sendung „Fazit“, 28.9.2019
Bei seiner großen Retrospektive in Wolfsburg bringt Robin Rhode Politik und Schönheit in die Balance.
Elke Buhr, Monopol, 1.10.2019
Er braucht Wände und Mauern: Auf ihnen zeichnet und malt Robin Rhode geometrische Muster und ornamentale Formen, auf ihnen erzählt er Geschichten. In den letzten acht Jahren standen diese Wände in Westbury, einem sozialen Brennpunkt in Johannesburg. Hier hat er alles aufgegriffen, was den Alltag im heutigen Südafrika prägt: Musik und Sport genauso wie neueste Designtrends und soziale Themen. Dabei stand stets die Geschichte der “coloured communities” im Zentrum, die er aus seiner eigenen Familie kennt.
Gerhard Mack, Art Magazin, 1.10.2019
Rhodes Faszination für einfache Materialien, für Mauern statt Leinwand, für Performance und Bewegung korrespondiert mit der kargen Lebenswirklichkeit in Südafrika, mit der Kunst, aus wenig das Beste zu machen. Auch wenn er seine maltechnischen Fähigkeiten herunterspielt, bringt er in Serien wie „Evergreen“ komplexe geometrische Muster auf Mauerwände – und lässt die grünen Formen von einem Kerl mit Rasenmäher bearbeiten.
Florian Arnold, Wolfsburger Nachrichten, 27.9.2019
Verspielt wirken die Bilder von Robin Rhode, die das Kunstmuseum jetzt ausstellt – doch sie sind hintergründig, voller Anspielungen auf Politik, Religion und Kulturgeschichte. Wer sich die Zeit nimmt, hat in der Ausstellung „Memory is the Weapon“ (Erinnerung ist die Waffe) einiges zu entdecken.
Frederike Müller, Wolfsburger Allgemeine Zeitung, 27.9.2019