Spuren der Moderne

15. 3. — 26. 10. 2014

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Im Jubilä­ums­jahr des Kunst­mu­seum Wolfsburg – es feiert 2014 mit einer groß angelegten Kokoschka-Ausstel­lung sein 20-jähriges Bestehen – nimmt das Haus mit „Spuren der Moderne” thema­ti­sche Sondier­boh­rungen vor und macht sich auf die Spuren­suche innerhalb der eigenen Sammlung. Seit 1994 sammelt das Kunst­mu­seum Wolfsburg inter­na­tio­nale zeitge­nös­si­sche Kunst. Mit Werken rund um die Minimal Art, Concep­tual Art, Arte Povera, Body Art und Medien­kunst wurde die Basis gelegt. Die Sammlungs­prä­sen­ta­tion „Spuren der Moderne” wird auf rund 1000 Quadrat­me­tern im oberen Umlauf der Museums­halle zu sehen sein.

“What looks good today may not look good tomorrow” lauten Titel und Inhalt einer Arbeit von Michel Majerus von 1999. Damit bringt er auf den Punkt, was Charles Baude­laire 1863 beschrieb, als er den Begriff der „Moder­nität” als Ausdruck von Zeitgeist prägte: Vergäng­lich und flüchtig sei diese. Als Zeitbe­griff ist die Moderne schwer zu erfassen – unbestreitbar sind jedoch einige ihrer bestim­menden Inhalte und Ästhe­tiken. In einem thema­tisch geglie­derten Parcours, der die Felder Porträt, darstel­lende Malerei, Abstrak­tion, Archi­tektur und Design, Wissen­schaft und Technik, Aufklä­rung und Spiri­tua­lität sowie Global Art umfasst, wird hier die Frage nach dem aktuellen Einfluss der Moderne in den Raum gestellt. Wie wird die Moderne in Werken von Künstlern wie Julius Popp, Elizabeth Peyton, Thomas Schütte, Cindy Sherman, Nam June Paik, Neo Rauch, Jeppe Hein, Jan Dibbets, John M Armleder, Tony Cragg, Gary Hume, Tobias Rehberger, Andreas Gursky, Philip Taaffe, Olafur Eliasson, Rebecca Horn, Gerhard Merz, Ola Koleh­mainen oder James Turrell heute rezipiert?

Unsere digitale Gegenwart kennt kaum noch Grenzen. Mit einem Mausklick bewegen wir uns virtuell in anderen Ländern, Zeitzonen und Kulturen – via Skype nehmen wir visuell am Leben anderer teil und können heute an zwei Orten gleich­zeitig sein. Der Kommu­ni­ka­ti­ons­theo­re­tiker Marshall McLuhan hat schon frühzeitig einen Begriff für diese Entwick­lung gefunden – das Global Village. Die tatsäch­li­chen Distanzen werden erst wieder spürbar, wenn außer­eu­ro­päi­sche Gesell­schaften mit kultu­rellen und ästhe­ti­schen Geltungs­be­dürf­nissen aufwarten, die von westli­chen Vorstel­lungen abweichen. Die Konturen der Moderne im westli­chen Sinne scheinen sich aufzulösen.

Durch die kultu­rellen Wechsel­wir­kungen in diesem Global Village stellen sich neue Fragen an die Moderne, die auch ihre Aktua­lität in ihrem westli­chen Ursprungs­kon­text betreffen. Im 21. Jahrhun­dert hat der Plura­lismus nicht nur die Kunst erfasst, sondern auch Gesell­schafts­formen, Lebens­stile und Glaubens­rich­tungen. Sind die Ideen der Moderne vor diesem Hinter­grund tatsäch­lich überholt? Was ist aus dem unerschüt­ter­li­chen Fortschritts­glauben, der Faszi­na­tion für Wissen­schaft und Technik, dem kultu­rellen Reform­willen und den formalen Innova­tionen und Perspek­tiv­wech­seln in der bildenden Kunst geworden? Was für die Wissen­schaft der Forschungs­er­folg war, dem entsprach in der Kunst der Klassi­schen Moderne im 20. Jahrhun­dert die ästhe­ti­sche Revolu­tion. Die Abstrak­tion verdrängte die Figura­tion und führte bis hin zur Befreiung der Form vom Gegen­stand und der Farbe von der Form.

Waren in der Postmo­derne noch Abgren­zungs­ver­suche zu diesen Neuerungen spürbar, verhan­deln Künstler der zweiten Hälfte des 20. und im 21. Jahrhun­derts Kunst­rich­tungen der Moderne wie beispiels­weise den Kubismus (z. B. Jan Dibbets), den Konstruk­ti­vismus (z. B. Tony Cragg), den Surrea­lismus (z. B. Neo Rauch) oder die Farbfeld­ma­lerei (z. B. Joseph Marioni, James Turrell) neu. Die Affinität zur Wissen­schaft und Technik spiegelt sich indessen zum Beispiel im Künst­le­r­in­ge­nieur (z. B. Panama­renko, Nam June Paik, Julius Popp) oder in der Insze­nie­rung von Natur­phä­no­menen (z. B. Olafur Eliasson). Die Ausstel­lung fasst derartige Verwandt­schaften und Wahlver­wandt­schaften zusammen.

Mit diesem Ausstel­lungs­kon­zept schließt das Kunst­mu­seum Wolfsburg an seine in der Museums­welt vermut­lich einmalige, wissen­schaft­liche und ebenso sinnliche Forschungs­reise an, auf der es sich mit seinem Programm seit  2006 befindet: die Suche nach der Moderne im 21. Jahrhun­dert. Vor allem für die thema­ti­schen Ausstel­lungen wie „Die Kunst der Entschleu­ni­gung”, „Kunst & Textil”  oder „Interieur/Exterieur” ist diese Frage stets der Ausgangs­punkt aller Untersuchungen.

Im Herbst 2014 schließ­lich wird das Kunst­mu­seum einen Forschungs­band über die Zukunft der Moderne im 21. Jahrhun­dert mit Beiträgen namhafter Autoren aus Kunst, Kunst-geschichte, Philo­so­phie, Archi­tektur, Sozio­logie und Kultur­wis­sen­schaften veröffentlichen.

Künstler der Ausstellung

John Armleder, Richard Artsch­wager, Hussein Chalayan, Tony Cragg, Jan Dibbets, Olafur Eliasson, Helmut Federle, Andreas Gursky, Jeppe Hein, Georg Herold, Rebecca Horn, Gary Hume, Sergej Jensen, Anselm Kiefer, Ola Koleh­mainen, Michel Majerus, Joseph Marioni, Gerhard Merz, Nam June Paik, Panama­renko, Elizabeth Peyton, Julius Popp, Neo Rauch, Tobias Rehberger, Thomas Schütte, Cindy Sherman, Beat Streuli, Philip Taaffe, James Turrell, Luc Tuymans

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