Sunshine & Noir. Art in L.A. 1960-1997

15. 11. 1997 — 1. 2. 1998

Infos

Los Angeles – kaum eine andere Großstadt löst so wider­sprüch­liche Assozia­tionen aus wie die 15 Millionen-Metropole an der ameri­ka­ni­schen Westküste. Eine Stadt fast ohne Zentrum, die kaum öffent­liche Verkehrs­mittel hat; mit endlosen gleich­för­migen Wohnvier­teln, durch­wirkt von einem dichten Netz mehrspu­riger Autostraßen und einem Wald riesiger Rekla­me­ta­feln. Ewiger Sonnen­schein und bodyge­stylte Jugend am palmen­ge­säumten Strand, Baywatch. Traum­fa­brik Hollywood, einge­zäunte Villen­viertel in Bel Air und Beverly Hills. Blutige Kämpfe zwischen Gangs verschie­dener Hautfarben, Plünde­rungen, Eskala­tionen von Gewalt. Immer wieder bebt die Erde, werden große Siedlungs­flä­chen durch Feuer vernichtet. Eine einzige Region, zwischen den Fluten des Pazifik, schnee­be­deckten Bergen und ausge­dehnten Wüsten­zonen gelegen, scheint alle Extreme zwischen Paradies und Hölle in sich zu vereinen. Hier schrieb Raymond Chandler Drehbü­cher für jene Filme der „Schwarzen Serie“, die Humphrey Bogart in den Vierzi­ger­jahren berühmt machten. Hierhin übersie­delte 1964 der englische Maler David Hockney, um seitdem in seinen farben­präch­tigen Gemälden das Licht Kalifor­niens zu feiern.

Mit über zweihun­dert Werken aus den Bereichen Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Video und Environ­ment gibt „Sunshine & Noir“ einen Überblick über vierzig Jahre des Kunst­schaf­fens in Los Angeles und vermit­telt zugleich einen Einblick in das aktuelle Geschehen in Südka­li­for­nien. Damit stellt das Kunst­mu­seum Wolfsburg nach dem briti­schen „Full House“, wieder eine Kunst­land­schaft vor, die ganz besonders von Alltags- und Massen­kultur geprägt ist. Bruce Nauman, einem ihrer wichtigsten und kritischsten Vertreter, der ebenfalls bei „Sunshine & Noir“ dabei ist, war zuvor eine Einzel­aus­stel­lung gewidmet.

Die ethnische und kultu­relle Vielfalt von Los Angeles spiegelt sich in einer Kunst­szene, die lange im Schatten New Yorks als dem Kunst- und Kunst­han­dels­zen­trum Amerikas stand und die entgegen der New Yorker Szene eher von ausge­prägtem Indivi­dua­lismus der Künstler als von Gruppie­rungen (Action Painting, Minima­lismus) geformt wurde. Lars Nittve, Direktor des Louisiana Museum in Humlebæk, hat neunund­vierzig Künstler ausge­wählt. Anhand ihrer Werke lassen sich quer durch die Genera­tionen verschie­dene Haupt­strö­mungen ausmachen.

Maler wie Sam Francis und Richard Dieben­korn, Licht­künstler wie James Turrell, Robert Irwin und Doug Wheeler haben sich vom Licht und der Weite der Pazifik­küste anregen lassen; Objekt­künstler wie Edward Kienholz und George Herms, Perfor­mance­künstler wie Chris Burden, Mike Kelley und Paul McCarthy gehen gesell­schaft­liche Probleme an, spüren soziale und psychi­sche Befind­lich­keiten auf; Laura Aguilar, Catherine Opie und David Hammons verbinden ihre künst­le­ri­sche Arbeit mit dem Selbst­ver­ständnis ihrer jewei­ligen Black, Chicano oder Lesbian Community; und nicht zuletzt stehen Ed Ruschas großfor­ma­tige Leinwände oder Allen Ruppers­bergs wandfül­lende Schrift­pla­kate für die Ausein­an­der­set­zung mit der Bilder- und Zeichen­flut auf den Highways von Los Angeles.

Von den Fotos des Schau­spie­lers Dennis Hopper, der Anfang der Sechzi­ger­jahre die jungen Künstler in L.A. mit der Kamera begleitet hat, bis zu den scheinbar chaoti­schen Environ­ments von Jason Rhoades, einem Mitglied der aktuellen, höchst leben­digen Kunst­szene, möchte „Sunshine & Noir“ einem europäi­schen Publikum vermit­teln, dass Los Angeles wohl die ameri­ka­nischste aller ameri­ka­ni­schen Großstädte, ein vitales, kreatives Klima hervor­bringt, dessen Qualität, wie Lars Nittve mit Salman Rushdie formu­liert, „in neuen, unerwar­teten Verbin­dungen von Menschen, Kulturen, Ideen, politi­schen Vorstel­lungen, Filmen und Liedern beschlossen liegt.“

Katalog
Sunshine & Noir. Art in L.A. 1960–1997
Texte von Anne Ayres, Laura Cottingham, Mike Davis, Russell Ferguson, William R. Hackman, Timothy Martin, Terry R. Myers, Lars Nittve und Peter Schjeldahl
22 x 26 cm, 237 S., 114 s/w und 104 farbige Abb.
Cantz Verlag, Ostfil­dern 1997
ISBN 3–89322-939–6
vergriffen