Tuning up

Einsatz für eine Sammlung in Wolfsburg

29. 5. — 25. 9. 1994

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Tuning up bedeutet “stimmen, in Überein­stim­mung bringen, bereit­ma­chen, einstellen”. Das Kunst­mu­seum hatte sein Instru­men­ta­rium einge­richtet und stellte den Besuchern sein Programm vor. Die Ausstel­lung hält den Moment fest, in dem das Orchester seine Instru­mente stimmt. Nicht nur die Zuhörer, sondern auch die Musiker stehen am Konzertan­fang. aIn Tuning up. Einsatz für eine Sammlung in Wolfsburg wurden die ersten Exponate der Sammlung, die der Direktor des Kunst­mu­seums Gijs van Tuyl in den vergan­genen einein­halb Jahren angekauft hat, zum ersten Mal der Öffent­lich­keit vorgestellt.

Das Profil der Sammlung, wie es sich in Zukunft ausprägen wird, soll schon in dieser Ausstel­lung durch Leihgaben aus Museums- und Privat­be­sitz umrissen werden. Die Sammlung konzen­triert sich auf die Zeit vom Ende der sechziger bis heute. Dabei wurde versucht, große Instal­la­tionen, wichtige Arbeiten, die stell­ver­tre­tend für bestimmte Werkphasen stehen oder Gruppen mit Werken aus verschie­denen Perioden einzelner Künstler, zusammenzutragen.

An Tuning up haben insgesamt etwa 21 Künstler aus Europa und den USA teilge­nommen. Von Richard Artsch­wager werden Gemälde und Resopal-Objekte gezeigt; scheinbar alltäg­liche Möbel, stili­siert zu unfunk­tio­nalen Formen. Christian Boltanski instal­lierte im Kunst­mu­seum eine neue Arbeit: dreizehn Augen­paare vermisster Menschen blicken den Betrachter von großflä­chigen Perga­ment­blät­tern unver­wandt an. Er beschäf­tigt sich nicht nur mit dem Holocaust, sondern mit dem Einzel­schicksal täglich verschwin­dender ersonen. Tony Cragg ist mit einer mehrtei­ligen Gipsskulptur vertreten, in ihr verschmelzen die natür­liche und die vom Menschen künstlich herge­stellte Erosion mitein­ander. Gilbert & George sagen: “Wir sind Künstler der Gegenwart. Wir müssen uns eine Sprache ausdenken, die diese Zeit wieder­gibt. Wir wollen unsere Schwächen, unsere sexuellen Vorlieben, unsere Gedanken, unser Leiden und alles, was zum Mensch­sein dazuge­hört, nicht verste­cken”. Von ihnen befinden sich zwei Arbeiten in der Sammlung. Rebecca Horn baut einen Raum auf, in dem sich zwei Gewehre bewegen; in dem Moment, in dem beide Läufe aufein­an­der­zeigen, löst sich ein Schuss; durch Schläuche und Gefäße fließt unauf­hör­lich eine blutähn­liche Flüssig­keit. Von Anselm Kiefer konnte eine Instal­la­tion, in der zahlreiche Gemälde zu einem Haufen aufge­schichtet sind, erworben werden. Sie entstand zwischen 1971 und 1991 und war beendet als Kiefer sich entschloss, Deutsch­land zu verlassen. Von Jeff Koons waren drei Skulp­turen zu sehen, die exempla­risch für seine künst­le­ri­sche Entwick­lung in den achtziger Jahren ausge­wählt wurden. Allan McCollum zeigte eine Instal­la­tion mit über 10.000 einzeln gefer­tigten Teilen; trotz der Menge der scheinbar seriell produ­zierten Gegen­stände, behält jedes Objekt eine indivi­du­elle Ausstrah­lung. Mario Merz’ Oeuvre wurde mit zwei unter­schied­li­chen Werken reprä­sen­tiert, einem Spiral­tisch aus Glas und Metall, der mit frischen Früchten und Gemüsen gedeckt ist und einer großfor­ma­tigen Leinwand, aus der die ersten Zahlen der Fibonacci-Reihe in blauem Neon hervorleuchten.

Für Tuning up konnten einige Künstler gewonnen werden, neue Arbeiten für das neue Museum und seinen spezi­ellen Standort Wolfsburg zu schaffen. So konstru­ierte Matt Mullican für das Kunst­mu­seum eine Data Base, wie er sie bisher nur in Tokio reali­siert hatte. Der Besucher konnte mit Hilfe eines Joysticks die verschie­denen Ebenen der Video­ar­beit selbst erkunden. Richard Prince, der seine Faszi­na­tion für Autos schon in seinen Skulp­turen aus Lambor­ghini-Motor­hauben zum Ausdruck brachte, male in New York gerade neue Bilder für Wolfsburg. Ob in ihnen das Thema Auto eine Rolle spielen würde – blieb abzuwarten. James Welling hatte vor Ort eine Fotoserie gemacht, die sich mit der Stadt, ihrer Archi­tektur und ihren Bewohnern, mit dem VW-Werk, seinen Maschinen und Arbeitern auseinandersetzte.

Zu Tuning up erscheint ein Leporello.

Mit Werken von Mario Merz, Tony Cragg, Allan McCollum, Richard Artsch­wager, Matt Mullican, Richard Prince, Jean Marc Busta­mante, René Daniels, Christian Boltanski, Rebecca Horn, Carl Andre, Jan Dibbets, Anselm Kiefer, Panama­renko, James Welling, Jeff Koons, Jörg Immen­dorff, Gilbert & George, Nam June Paik, Fischli/Weiss, Bernd und Hilla Becher