Tuning up
Einsatz für eine Sammlung in Wolfsburg
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Tuning up bedeutet “stimmen, in Übereinstimmung bringen, bereitmachen, einstellen”. Das Kunstmuseum hatte sein Instrumentarium eingerichtet und stellte den Besuchern sein Programm vor. Die Ausstellung hält den Moment fest, in dem das Orchester seine Instrumente stimmt. Nicht nur die Zuhörer, sondern auch die Musiker stehen am Konzertanfang. aIn Tuning up. Einsatz für eine Sammlung in Wolfsburg wurden die ersten Exponate der Sammlung, die der Direktor des Kunstmuseums Gijs van Tuyl in den vergangenen eineinhalb Jahren angekauft hat, zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt.
Das Profil der Sammlung, wie es sich in Zukunft ausprägen wird, soll schon in dieser Ausstellung durch Leihgaben aus Museums- und Privatbesitz umrissen werden. Die Sammlung konzentriert sich auf die Zeit vom Ende der sechziger bis heute. Dabei wurde versucht, große Installationen, wichtige Arbeiten, die stellvertretend für bestimmte Werkphasen stehen oder Gruppen mit Werken aus verschiedenen Perioden einzelner Künstler, zusammenzutragen.
An Tuning up haben insgesamt etwa 21 Künstler aus Europa und den USA teilgenommen. Von Richard Artschwager werden Gemälde und Resopal-Objekte gezeigt; scheinbar alltägliche Möbel, stilisiert zu unfunktionalen Formen. Christian Boltanski installierte im Kunstmuseum eine neue Arbeit: dreizehn Augenpaare vermisster Menschen blicken den Betrachter von großflächigen Pergamentblättern unverwandt an. Er beschäftigt sich nicht nur mit dem Holocaust, sondern mit dem Einzelschicksal täglich verschwindender ersonen. Tony Cragg ist mit einer mehrteiligen Gipsskulptur vertreten, in ihr verschmelzen die natürliche und die vom Menschen künstlich hergestellte Erosion miteinander. Gilbert & George sagen: “Wir sind Künstler der Gegenwart. Wir müssen uns eine Sprache ausdenken, die diese Zeit wiedergibt. Wir wollen unsere Schwächen, unsere sexuellen Vorlieben, unsere Gedanken, unser Leiden und alles, was zum Menschsein dazugehört, nicht verstecken”. Von ihnen befinden sich zwei Arbeiten in der Sammlung. Rebecca Horn baut einen Raum auf, in dem sich zwei Gewehre bewegen; in dem Moment, in dem beide Läufe aufeinanderzeigen, löst sich ein Schuss; durch Schläuche und Gefäße fließt unaufhörlich eine blutähnliche Flüssigkeit. Von Anselm Kiefer konnte eine Installation, in der zahlreiche Gemälde zu einem Haufen aufgeschichtet sind, erworben werden. Sie entstand zwischen 1971 und 1991 und war beendet als Kiefer sich entschloss, Deutschland zu verlassen. Von Jeff Koons waren drei Skulpturen zu sehen, die exemplarisch für seine künstlerische Entwicklung in den achtziger Jahren ausgewählt wurden. Allan McCollum zeigte eine Installation mit über 10.000 einzeln gefertigten Teilen; trotz der Menge der scheinbar seriell produzierten Gegenstände, behält jedes Objekt eine individuelle Ausstrahlung. Mario Merz’ Oeuvre wurde mit zwei unterschiedlichen Werken repräsentiert, einem Spiraltisch aus Glas und Metall, der mit frischen Früchten und Gemüsen gedeckt ist und einer großformatigen Leinwand, aus der die ersten Zahlen der Fibonacci-Reihe in blauem Neon hervorleuchten.
Für Tuning up konnten einige Künstler gewonnen werden, neue Arbeiten für das neue Museum und seinen speziellen Standort Wolfsburg zu schaffen. So konstruierte Matt Mullican für das Kunstmuseum eine Data Base, wie er sie bisher nur in Tokio realisiert hatte. Der Besucher konnte mit Hilfe eines Joysticks die verschiedenen Ebenen der Videoarbeit selbst erkunden. Richard Prince, der seine Faszination für Autos schon in seinen Skulpturen aus Lamborghini-Motorhauben zum Ausdruck brachte, male in New York gerade neue Bilder für Wolfsburg. Ob in ihnen das Thema Auto eine Rolle spielen würde – blieb abzuwarten. James Welling hatte vor Ort eine Fotoserie gemacht, die sich mit der Stadt, ihrer Architektur und ihren Bewohnern, mit dem VW-Werk, seinen Maschinen und Arbeitern auseinandersetzte.
Zu Tuning up erscheint ein Leporello.
Mit Werken von Mario Merz, Tony Cragg, Allan McCollum, Richard Artschwager, Matt Mullican, Richard Prince, Jean Marc Bustamante, René Daniels, Christian Boltanski, Rebecca Horn, Carl Andre, Jan Dibbets, Anselm Kiefer, Panamarenko, James Welling, Jeff Koons, Jörg Immendorff, Gilbert & George, Nam June Paik, Fischli/Weiss, Bernd und Hilla Becher